Grim
er zurück, aber bevor er einen Zauber hätte wirken können, strich Samhur durch das Licht des Gnyos. Die Flamme loderte auf, mit einem Schlag erhellte sie den Tunnel – und Grim wünschte sich, sie hätte es nicht getan.
Remis keuchte an seinem Ohr und er selbst musste aufhören zu atmen, um keinen Laut des Ekels von sich zu geben. Die Wände des Tunnels waren über und über mit tellergroßen Insekten bedeckt, Spinnen vor allem, die übereinanderkrabbelten und in Klumpen dick wie Bienentrauben von der Decke fielen. Schnarrend landeten sie am Boden, eilten auf das Licht zu und wurden von ihm zurückgedrängt, kaum dass sein Schein sie berührte.
Ohne ein Wort ging Samhur voraus, und Grim folgte ihm mit dem würgenden Kobold auf der Schulter den Tunnel hinauf. Es ging über rutschige Treppen und gewundene Pfade, immer wieder mussten sie über Geröllmassen klettern, weil Teile der Decke eingestürzt waren, und Grim hielt das Licht so fest umklammert, dass er schon bald jedes Gefühl in seinen Klauen verloren hatte. Überdeutlich hörte er das Schuppern der Chitinpanzer, es schien ihm, als würden sie über seine eigene Haut laufen, und immer wieder meinte er, platzende Leiber unter seinen Füßen spüren zu können. Endlich fiel kaltes Dämmerlicht in den Tunnel, und als sie den verfluchten Gang hinter sich ließen, blieben die Insekten in dessen Schatten zurück.
Sie betraten eine halb zerfallene Tempelstadt mit zahlreichen eingestürzten Türmen, zerbrochenen Mauern und Gebäuden, die sich dunkel wie zerschmetterte Leiber im Zwielicht erhoben. Glimmende Flechten bedeckten den Boden und verbreiteten einen diffusen Schein, Bäume mit Klauenästen wuchsen auf den Felsen, und in einiger Entfernung, umgeben von steinernen Wällen, erhoben sich die Flüche des Turms wie eine mächtige Wand wehender Tücher am Rand der Klippe. Der Turm selbst war dahinter nur zu erahnen, doch Grim spürte die Präsenz der Feste wie eiskalte Schnitte auf seiner Haut, als sie sich ihr näherten. Gleich darauf vernahm er das Wispern in den Blättern der Bäume, das wie der Gesang Schwarzer Schwäne klang. Er hatte von ihnen gehört, diesen Wesen, die nicht Mensch, nicht Vogel waren, diesen Frauen von schönster Gestalt mit weißem oder schwarzem Haar und nachtblauen Augen. Er wusste, dass sie in den Wäldern der Oberwelt lebten, in den Kellern verlassener Häuser und den Träumen der Einsamen und Verlorenen, und er kannte die Legenden von ihren Gesängen, die er sich nie hatte vorstellen können bis zu diesem Moment. Sehnsuchtsvoll war das Wispern, das durch die Bäume ging, fast meinte er, das Schlagen schwarzer Schwingen in der Dämmerung zu sehen, und er bemerkte den Schatten zu spät, der plötzlich von rechts heranschoss. Er wich noch zurück vor dem kleinen, affenähnlichen Geschöpf, das ihn aus gelben Augen anstierte, doch da stieß es den Arm vor und griff mit solcher Geschwindigkeit nach dem Licht des Gnyos, dass es Grim aus den Klauen glitt. Keckernd sprang das Affentier auf einen Baum und verschwand in den Ruinen.
»Narr von einem Menschen«, murmelte Samhur, aber ehe Grim etwas erwidern konnte, schwirrte Remis mit wütendem Schnauben in die Luft. Eine merkwürdige Beharrlichkeit glühte in seinem Blick, als er in die Richtung schaute, in die der Affe verschwunden war – und im nächsten Moment jagte er der Kreatur hinterher. Grim stieß einen Fluch aus. Er würde nicht zulassen, dass der Kobold von einem haarigen Äffchen mit gelben Augen in der Luft zerrissen wurde, so viel stand fest. Er hatte schon die Schwingen ausgebreitet, als er ein Schnarren hörte, dicht gefolgt von einem heftigen Beben. Gleich darauf brachen die Insekten, diese Widerwärtigkeiten der Finsternis, aus dem Tunnel hervor. Nun witterten sie ihre Chance.
Flammend senkte sich Samhurs Schutzwall auf Grims Haut. Er verbrannte den steinernen Grund und die ersten Reihen der Spinnenleiber, doch die nächsten drängten über die Asche ihrer Gefährten nach, sie erstickten die Flammen und gruben ihre Greifzangen tief in den Wall des Jägers. Grim schickte goldene Funkenströme in den Zauber, einige Leiber zerbrachen mit widerlichem Knacken und verteilten gelben Schleim auf den anderen, doch je mächtiger die Zauber der Verteidigung waren, desto stärker wuchs die Übermacht, die aus den Schatten herandrängte. Die Zauber Samhurs hallten so heftig in Grim wider, dass er meinte, sein Körper würde gegen Felsmassen geschleudert. Rücken an Rücken hielten sie
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