Grim
staubbedeckten Sessel, die Kamine, in denen das magische Feuer lange erloschen war, und die prunkvollen Statuen, die an den stoffbezogenen Wänden standen. Lange Vorhänge lagen vor den mit dunklem Glas verspiegelten Fenstern, und die Decken waren mit farbigen Gemälden von Drachen, Greifen und Helden aus den Reihen der Ersten Vampire bedeckt. Auch hier gab es Fackeln, die sich bei Samhurs Schritten entfachten, und Grim betrachtete die Regale, in denen uralte Manuskripte standen. Viele waren von Menschenhand geschrieben worden, und er erinnerte sich an die Erzählungen Mouriers von den Empfängen der Hohen Lords, die in früheren Zeiten im Schloss von Prag abgehalten worden waren. Silberne Fackeln hatten die Fenster erhellt, das vielstimmige Gelächter unzähliger Anderwesen war durch die Räume geflogen, und Grim sah die Vampire vor sich, herrschaftlich gekleidet, die Haut so weiß, dass sie wirkte wie hauchdünnes Pergament. Dabei wusste er, dass die Haut der Uralten hart wie Stein war und so kalt, als wäre sie aus den Gletschern des Nordmeeres erschaffen worden.
Mit schweren Schritten durchzog der Jäger die Räume, sein Mantel hinterließ feine Spuren im Staub, und Grim sah sie vor sich, die schwarze Blüte, die die Gesellschaft der Vampire damals gewesen war, ein Reich aus flüsternden Schatten. Er meinte, Musik zu hören, betörende, leidenschaftliche Musik, die an die Schlachten der Vorzeit erinnerte, daran, dass die Vampire einst die Herzen ihrer Feinde gegessen und in blutigen Ritualen deren Kinder zu ihren Sklaven gemacht hatten. Und er sah Gestalten übers Parkett tanzen, Geschöpfe in wehenden Kleidern, die sich im Takt drehten und deren Gewänder so geisterhaft durch die Luft wehten, als wären sie … Gerade in diesem Moment stieß Remis ein erschrockenes Geräusch aus. Auch der Kobold fixierte die Wesen auf der Tanzfläche, und als der Saum eines Kleides sein Haar streifte, erkannte Grim es auch: Die Kreaturen waren keine Illusion. Sie waren tatsächlich da.
Instinktiv sandte er einen Abwehrzauber in seine Faust, doch im selben Moment wandten die Tänzer sich ihm zu und lachten ein helles Kinderlachen. Ihre Körper waren durchscheinend, ihre Augen milchig weiß, und als sie auf Grim zustoben und sich erst kurz vor seinem Gesicht in Rauch verwandelten, fühlte er ihre Finger an seinen Wangen. Wispernd zog sich der Dunst zurück, doch in den Schatten formten sich weitere Gestalten, Menschenkinder, auch Vampire, einige mit zerfetzten Gliedern, andere in uralten Gewändern, doch alle mit diesem halb wahnsinnigen, halb entrückten Ausdruck auf den Zügen, der sie immer wieder in plötzlichen Bewegungen dazu trieb, nach Grims Mantel zu greifen oder Remis ins Haar zu fahren, bis der Kobold schreckensbleich auf Grims Schulter Zuflucht suchte.
Ha’rechol , murmelte Samhur, ohne die Wesen eines Blickes zu würdigen, und Grim nickte düster. Geister. Er hatte noch nie sonderlich viel für dieses Volk übrig gehabt, diese verfluchten Seelen, die keine Ruhe fanden und anderen ständig mit ihrer trüben Stimmung auf die Nerven gingen. Auf den Friedhöfen von Paris hatte er einige kennengelernt und feststellen müssen, dass ihre einzige Freude offenbar darin bestand, diensthabende Gargoyles zum Narren zu halten. Für gewöhnlich blieben die Geister unter sich, aber sie waren nie abgeneigt, besonders stimmungsvolle und von den übrigen Anderwesen aufgegebene Orte in Besitz zu nehmen. In gewisser Weise glichen sie den verfluchten Tauben, und dieser Gedanke ließ seine Miene noch finsterer werden.
Wispernd rotteten sich die Geister hinter ihnen zusammen und glitten ihnen nach. Ihre Stimmen wurden dunkler, je schneller Samhur sie durch die Räume führte, immer mehr von ihnen strömten durch Decken und Wände, und die gerade noch neugierigen Gesichter verwandelten sich in unheimliche Fratzen. Halb zerrissene Glieder strichen über Grim hinweg, er sah entstellte Kinderleichen, die ihn aus verdrehten Augen anstarrten, und immer wieder stob eine zerfledderte Vogelscheuche direkt vor ihm aus dem Boden und griff nach ihm. Eiskalt war die Berührung der Ha’rechol, und er hatte soeben beschlossen, ihre fast durchsichtigen Leiber mit einem Flammenzauber zu zerreißen, als ein besonders tollkühner Geist auf ihn zupreschte und mit flinken Fingern nach Remis griff. Grim hörte noch das Eis, das die Haare des Kobolds überzog. Dann stieß er die Faust vor, packte den Geist an der Kehle und schickte einen grünen Blitz durch
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