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Grim

Grim

Titel: Grim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Schwartz
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dessen fadenscheinigen Leib, dass seine Augen flackerten und er mit leisem Stöhnen zu Dunst zerstob. Grim sah zu, wie sich der Kerl in der Menge neu personifizierte, und wischte sich die Klaue demonstrativ an seinem Mantel ab. Lautlos schlossen die Geister sich um sie zusammen, eine gierige, drohende Masse aus entstellten Körpern. Da zog Samhur sein Schwert. Blaues Licht schlug den Ha’rechol entgegen. Langsam trat der Jäger auf sie zu, sie wichen zurück, doch nur für einen Moment. Dann stob der erste Geist heran, mit irrem Blick glitt er durch die Klinge und zerschnitt seinen Leib in zwei Teile. Winzige Flammen stiegen von den Wunden auf, doch er lachte hysterisch und ließ seine Beine unter Fingerschnipsen tanzen, während sein Oberkörper in wilden Kreisen um Samhurs Schwert herumflog. Grim wusste, dass auch Geister die Flüche der Dämonen fürchteten, dass sie Schmerz empfinden konnten und Furcht – doch diese Gestalten, die sie wie von Sinnen anstarrten, waren anders. Der Wahnsinn stand in ihren Augen wie trübe Blindheit. Er verstärkte den Schutzzauber, doch bei jeder Berührung durch die Klaue eines Geistes fühlte er die Kälte, die von ihnen ausging, und die uralte Macht, die jeder von ihnen in sich trug. Diese Wesen waren zu lange zwischen den Welten gefangen gewesen, das war ihm klar – sie hatten sich in ihrem Zwielicht verloren.
    »Zum Harlekin!«, rief da eine Stimme. Sie klang wie das Kreischen von Nägeln über eine Schiefertafel. Remis fuhr zusammen, doch sofort wurde der Ruf von den anderen aufgegriffen, bis er aus sämtlichen Kehlen kam. Die Geister drängten sich um sie herum und schoben und schubsten sie mit einer Körperlichkeit, die wie geballter Sturmwind war, durch die Säle. Immer wieder war Grim kurz davor, einen Flammenwirbel in die Menge zu schicken, um ihre Leiber wenigstens für den Moment zu zerfetzen. Doch er wusste, dass er ihren Zorn nicht schüren durfte. Es gab wenige Geschöpfe, mit denen er eine Konfrontation stets vermieden hatte, aber die Ha’rechol gehörten dazu, und das nicht ohne Grund. Niemand konnte einen Geist vernichten, wenn dieser es ihm nicht erlaubte – und niemand konnte einen Wahnsinnigen verletzen, wenn er ihn in seiner eigenen Welt nicht erreichte.
    Scheppernd flog eine Tür aus den Angeln, und sie gelangten in einen goldverzierten Saal mit staubigem Parkettboden. Eine gewundene Treppe führte in ein darüberliegendes Zimmer. In schemenhafter Unwirklichkeit hatten sich Ha’rechol auf den Sesseln niedergelassen, einige hielten Teetässchen in den Händen, andere hatten ihre abgeschlagenen Köpfe auf den Knien, und dort, auf einem dreibeinigen Stuhl, der von einem Türmchen aus zerbrochenem Geschirr aufrecht gehalten wurde, saß der Harlekin.
    Noch ehe Grim ihn näher betrachten konnte, bemerkte er das tote Kaninchen in seiner Hand. Eingerissene schwarze Nägel gruben sich in das Fleisch des Tieres, überdeutlich hörte Grim die Knochen brechen, und als hätte sein Ekel jedes Geräusch verschluckt, war es mit einem Mal totenstill. Blut rann dem Kaninchen aus dem Maul, und Grim ertappte sich bei dem Gedanken, ob es tatsächlich Blut sein konnte, das er da sah – oder nur eine Illusion. Gewaltsam riss er den Blick los und schaute dem Harlekin ins Gesicht.
    Das Kostüm hing ihm um seine dürren Glieder wie eine bleiche, mit roten und schwarzen Zeichen bemalte Haut. Die Glöckchenhaube saß schief auf seinem Schädel, strähniges Haar quoll darunter hervor und fiel ihm weit in die Stirn, und die Narben, die sich wie mit einem Rasiermesser geschnitten über seine Wangen zogen, erinnerten Grim an die geritzten Zeichen, die er einmal auf den Einbänden der ältesten Necronomica Ghrogonias gesehen hatte. Seine Augen waren milchig weiß, ein dunkler Funken züngelte in ihrer Mitte, grub den Schatten seiner spitzen Nase tief in sein Fleisch und ließ sein Gesicht aussehen wie eine Totenmaske. Einzig in seinem Lächeln, das verschlagen auf seinen wulstigen, rot bemalten Lippen lag, steckte etwas Lebendiges. Doch kaum hatte Grim das gedacht, wusste er, dass das nicht das richtige Wort war für das, was den Harlekin auf seinem lächerlichen Thron hielt. Irrsinn war es, der hinter diesen Augen wütete, ein wilder und gnadenloser Krieg, bei dem jegliche Geisteskräfte in hemmungsloser Gewalt übereinander herfielen und blutige Fetzen auf dem Schlachtfeld der Gedanken zurückließen.
    »Die Narren kommen an den Hof des Königs«, rief der Harlekin und lachte so

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