Grim
Dicht vor seinen Füßen explodierte er, taumelnd wich der Khranados zurück und schaute sich zu dem Menschen um, der ihn gestört hatte.
Glühend traf Mia sein Blick, doch sie spürte keine Furcht. Sie sah nichts als den gewaltigen Werwolf zwischen sich und Lyskian, sah ihn den Kopf neigen und zum Sprung ansetzen, und sie wich ihm aus, blitzschnell, wie sie es bei Theryon gelernt hatte. Im Zickzack rannte sie von ihm fort, und noch im Lauf bündelte sie ihre Magie zu einem einzigen mächtigen Zauber. Gleißend hell schoss er aus ihrer Faust, sie schrie auf, so heftig war der Rückstoß. Schneidend glitt die Magie durch die Luft und bohrte sich als Speer aus Eis in den halb zerfressenen Stalagnaten. Der steinerne Turm erzitterte bedenklich, ein Schauer aus spitzen Speeren schoss von der Decke und ließ den Wolf zurückspringen, während Mia in geduckter Haltung zwischen ihnen hindurchlief, direkt auf Lyskian zu. Eilig half sie ihm auf die Beine, er stützte sich schwer auf ihre Schulter, und sie flohen gemeinsam, einen flackernden Schutzzauber über den Köpfen. Der Wolf preschte ihnen nach. Mia fühlte ihren Herzschlag durch den ganzen Körper pochen, sie musste all ihre Kraft aufwenden, um nicht zu schreien. Erst, als der Khranados kaum mehr als wenige Sprünge von ihnen entfernt war, brüllte sie die letzte Formel ihres Zaubers. Krachend barst der Speer aus Eis, er zerriss den Stalagnaten, und mit heftigem Dröhnen kippte dieser zur Seite und begrub den Werwolf unter sich. Steinsplitter zerfetzten Mias Schutzwall, und mit letzter Kraft ließ sie einen Sturmzauber in ihrem Rücken explodieren und flog mit Lyskian in die lodernde Glut des Tunnels.
Schwer atmend lehnte sie sich an die Wand, Steinstaub stob in den Gang. Sie sah noch Lyskians Gesicht, die Verwunderung in seinen Augen und den Schrecken, bevor die Glut erlosch. Kaum, dass es dunkel wurde, verwandelte sich der Tunnel in einen Gang aus loser Asche. Mia schrie auf, als sie den Halt verlor. Sie fiel durch namenlose Finsternis, hart schlug sie auf kaltem Stein auf und hörte die Ascheflocken um sich herum wirbeln. Mühsam kam sie auf die Beine. Sie konnte Lyskian nicht sehen, doch als sie die Hand auf seine Brust legte, erschrak sie. Er blutete. Instinktiv zog sie die Hand zurück, als sie das glühend kalte Vampirblut an ihren Fingern spürte, und gleichzeitig musste sie sich zwingen, Atem zu holen, so sehr erschreckte sie die Erkenntnis, die jetzt in ihr keimte. Lyskian war verwundet worden, seine Verletzung musste schwer sein, sonst hätte er sie längst geheilt. Oft genug hatte Mia gesehen, wie mühelos er selbst große Wunden kurieren konnte, und umso kälter war der Schauer, der sie nun erfasste. Lyskian sagte kein Wort. Er zog sie an sich, und gemeinsam stolperten sie über unebenen Grund, bis graues Licht die Finsternis durchdrang.
Mia blinzelte gegen den zwielichtigen Schein an, und kaum, dass sie den Gang verlassen hatten, fanden sie sich in einem halb zerfallenen, elliptischen Amphitheater wieder, auf einer Arena aus feinem weißen Sand. Pfähle ragten aus dem Boden, einige spitz, andere mehrfach gesplittert, und Skelette lagen im Sand – Menschen, Vampire, aber auch Anderwesen wie Chimären, Gestaltwandler und Schattentrolle. Ein steinernes Portal lag am Kopf des Ovals, reich verziert mit kostbaren Steinen und Worten in Ànth’karya. Es glomm in kühlem Licht.
Lyskian ließ Mia los. Er hatte sich die Hand vor die Brust gepresst und fixierte das Portal. Kaum merklich neigte er den Kopf, Mia konnte die Worte nicht hören, die über seine Lippen kamen, doch sie wurden von geisterhaften Stimmen aufgegriffen, drangen durch die Luft und erreichten das Portal. Ein Glimmen lief durch die Zeichen, dann hob es sich mit leisem Knirschen. Ein Gang aus weißem Marmor lag dahinter, warmes Licht fiel daraus auf den Sand der Arena. Mias Herz machte einen Satz. Sie waren nicht mehr weit vom Ausgang entfernt, das wusste sie nun, und sie hatte schon einen Schritt auf das Portal zu getan, als sie die Kälte wahrnahm, die plötzlich von Lyskian ausging. Sie wandte sich um, kurz sah er sie an. Ein schwaches Lächeln glitt über seine Lippen. Dann verzog sich sein Gesicht unter Schmerzen, und er brach zusammen. Erschrocken ließ Mia sich neben ihn fallen.
Flieh , raunte er, doch selbst in Gedanken klang seine Stimme so schwach, dass die Furcht sich nicht länger zurückdrängen ließ. Ich kann nicht mit dir kommen. Nicht einmal ein Körper wie der meine ist den
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