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Grim

Grim

Titel: Grim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Schwartz
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Verus sprach von ihrer Kraft, als ich in der Burg zu seinen Füßen lag, und je länger ich ihm zuhörte, desto weniger wusste ich, ob ich seine Worte verlockend finde angesichts der Aussicht, dass ich Carven selbst hätte retten können, oder weil es der Weg der Flamme war, dieser Pfad, auf dem ich das Brennen in mir endlich zum Schweigen bringen konnte. Ich weiß nicht, was geschehen wäre, wenn Carven uns nicht die Flucht ermöglicht hätte.«
    Seraphin schwieg für einen Moment. »Die Glut in deiner Brust glimmt in dieser Stunde nur noch schwach«, sagte er dann, und seine Stimme spielte mit dem Wind über den Wellen, wühlte sie auf und ließ Farben aus Gischt darüber hinwegtanzen. »Doch sie ist nicht verloren. Diese Unruhe ist ein Teil von dir ebenso wie von mir, und sie kann uns zu Bestien oder zu Göttern machen oder zu dem, was wir sind. Ich weiß, wie schwer es ist, sie zu tragen, und ich kenne die Versuchung, sie zu ersticken oder ihrem Brennen auf andere Wege zu folgen, Wege, die uns von uns selbst fortführen – Wege wie die Flamme des Prometheus. Sie hat dich in Kälte gehüllt, sie kann dir Geliebte und Göttin sein, und sie verlangt scheinbar nichts dafür. Doch das ist ein Irrtum, und bald schon ist es dir gleichgültig, welchen Preis sie fordert. Sie gibt dir, wonach du dich sehnst und stillt dein Verlangen, doch gleichzeitig kann sie dir alles nehmen, alles, was du gerade noch mit aller Kraft bewahren wolltest, und sie kann dich dazu bringen, nicht einmal mehr darum zu weinen. Die Flamme ist ein Weg, den die Unruhe dir weist. Doch niemand zwingt dich, ihr bis zuletzt zu folgen. Du hast die Stärke, sie zu tragen – und die Macht, ihr zu widerstehen. Denn sie ist nicht alles in uns Kindern des Feuers. Das habe ich durch dich gelernt.« Er lächelte kaum merklich. »Als ich dir auf deinem Flug nach Braskaton in den Weg trat, sagtest du mir, dass ich nichts begriffen hätte, und du hattest recht. Ich habe nicht erkannt, mit welcher Entschlossenheit du diesem Jungen zu Hilfe eilen würdest. Du hattest tatsächlich keine Wahl, du musstest versuchen, ihn zu retten, und das hast du getan. Doch Carven ist nur ein Splitter deines Spiegels. Es gibt noch andere Kräfte in dir, Kräfte, deren Stärke du nicht erkennst.«
    Er trat vor und legte die Hand auf Grims Herz. Der Wind umtoste sie, Gischt schlug ihnen entgegen, und es schien, als würden alle Stimmen des Ozeans sich mit Seraphins Worten vereinen. Doch Grim hörte sie nicht laut und durchdringend, er nahm sie wahr als ein Flüstern in seinem Kopf, und als das dumpfe Pochen seine Brust durchzog, hielt er den Atem an.
    Du hältst dich an der Kälte fest , hörte er Seraphin sagen. An der Kälte, die die Flamme dir gab, so wie ich mich einst an meine Rachsucht klammerte. Doch was liegt hinter ihr? Du fürchtest, dass die Unruhe zurückkehren wird, sobald die Kälte verschwindet, doch frage dich eins: Was liegt hinter dem Schmerz, den der Blick in Carvens Augen dir verursachte? Was liegt auf deinem Grund?
    Damit zog er seine Hand zurück. Grim schaute in das Wasser des Ozeans, und erstmals, seit er dieses Meer kannte, schoben sich die Wellen auseinander und ein Bild stieg aus den Tiefen auf. Es schimmerte in silbernem Licht, die Wellen spülten darüber hinweg und Grim spürte, wie es dem Flüstern in seinen Gedanken Antwort gab, wie es seine Kälte durchzog mit samtener, heilender Wärme. Und bevor er ein Wort, eine Beschreibung für das gefunden hatte, was er sah, versank das Bild wieder in der Finsternis und ließ nichts zurück als den silbernen Schein, der über die Wellen tanzte.
    Grim fühlte kaum die Kühle des Kristalls an seinen Fingern. Instinktiv hatte er in die Tasche seines Mantels gegriffen, und noch ehe er die Lichter des Weißen Diamanten auf seinem Gesicht spürte, noch ehe er Seraphin lächeln sah und die letzten Funken auf den Wellen erloschen, wusste er, dass er sich entschieden hatte.
    Verus Crendilas Dhor , raunte er und bemerkte, wie der Name das Meer aufwühlte. Du weißt nicht, welche Abgründe in einem Kind liegen wie mir – einem Kind des Feuers.

Kapitel 48
    Zur Hölle noch eins, wie lange sollen wir uns hier noch die Beine in den Bauch stehen?«
    Grim warf dem Mond einen düsteren Blick zu, der spiegelgleich über dem Platz vor der Kirche hing. Sein Schein lag über der Armee Ghrogonias, die sich auf dem Vyšehrad versammelt hatte, und vertiefte die Finsternis in Grims Augen. Mia spürte die Anspannung, die von den

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