Grim
der Golem, der Beschützer Prags, und ging schweigend durch die Menge. Mia bemerkte den bronzenen Schimmer auf seiner Haut, und als sich dieser Glanz auf die steinernen Gesichter legte, da war es, als würde ihre äußere Ruhe in sie hineinsinken und erst dort Wirklichkeit werden. Ohne jedes Wort breitete sich eine Gelassenheit in ihnen aus, die sie von innen in sanftem Schein erhellte.
Samhur folgte dem Golem. Er trug rätselhafte Flammenzeichen auf seinen Wangen wie nach einem besonderen Ritualzauber, und als er den Blick wandte und Mia die metallenen Schließen und Rabenfedern in seinem Haar entdeckte, musste sie an die Urvölker Amerikas denken und hörte einen tiefen, melodischen Trommelklang im Inneren der Erde, der in Samhurs Augen Antwort fand.
Mühelos schwang Duma sich auf das Podest einer Statue, und ohne dass er auch nur ein Wort sprach, glitt der Glanz von ihm fort und zog als bronzener Schleier über ihre Köpfe hinweg. Mia spürte ihn wie Regen im Sommer auf nackter Haut, und sie nahm die tiefe und reglose Konzentration wahr, mit der die Gargoyles zu Duma aufsahen und die nur steinerne Körper hervorbringen konnten.
Kurz stand der Golem ebenso still wie sie, ein Spiegel all jener, die ihn betrachteten. Dann hob er die Arme. Es war, als würde er sie auffordern, einzuatmen, und Mia ließ die Luft in ihre Lunge strömen, die ihr nie zuvor so klar und wohltuend erschienen war wie in diesem Moment. Sterne entstanden über Dumas ausgestreckten Händen, das Silberlicht verließ seine Augen und vereinte sich vor ihm in der Luft zu einer schimmernden Kugel, und als er dicht über ihr die Finger spreizte, glitten Blitze über sie hinweg und ließen sie in tausend Farben leuchten. Kaum merklich hob Duma den Blick, und die Kugel schwebte in die Höhe, bis sie weit über ihren Köpfen innehielt. Der Schein des Mondes umschmeichelte ihre Farben, sank in sie hinein und ließ silberne Funken über ihr tanzen.
Dumas Augen waren vollkommen schwarz geworden. Kurz spürte Mia die Schatten seines Blicks auf sich. Dann glitt ein Lächeln über seine Lippen. Er riss die Arme empor – und die Kugel zerbrach in flammende Sterne. Mia hörte sie singen, mit Stimmen, die sie noch nie vernommen hatte, außer vielleicht in ihren Träumen, und als sie in die Menge glitten und sich auf die Stirnen der Anderwesen legten, da flackerten die Farben bunt über ihre Gesichter.
Mia spürte es kaum, als der Stern ihre Haut berührte. Aber sie nahm das Licht wahr, das warm durch Stirn und Brust in ihren Bauch sank, und sie fühlte, wie jeder Zweifel, jede Furcht, jeder Gedanke darin aufging, bis sie meinte, nicht mehr zu sein als dieses Licht. Sie schaute in Dumas Augen, sie wusste, dass er in diesem Moment in ihre Seele sah, und sie fürchtete sich nicht. In diesem Licht war sie frei. Sie dachte das nicht in Worten, sie dachte es in einem hellen, silbernen Glanz, und gerade, als sie das Glück über diese Gedanken durchströmte, drang es durch ihre Glieder und legte sich als schwaches Glimmen auf ihre Haut, ehe es matt wurde und in sie zurücksank als der unsichtbare Schutz, der es war.
Überall um sie herum tauchte der Zauber in die Krieger ein. Sie sah noch den schwarzen Glanz, der über Grims Haut glitt, und schaute erneut zu Duma hinüber. Er hatte sie auf seine Art gesegnet, und als sie nichts mehr in seinen Augen erkannte als Finsternis, da er ihnen seine Sterne geschenkt hatte, spürte sie zum ersten Mal in ihrem Leben etwas wie Demut.
Sie lächelte, als er in ihre Richtung schaute, und merkte erst dann, dass er an ihr vorbeisah. Erstaunt wandte sie sich um – und erkannte Radvina und Edwin im Dickicht der umstehenden Bäume. Die Hartide erwiderten Dumas Blick, Mia konnte sehen, dass ihnen der Sturz in diese Finsternis nicht leichtfiel, und für einen Moment dachte sie an das Haus zur Letzten Laterne und die Prüfung durch den Hermaphroditen, die keiner von ihnen bestanden hatte. Radvina hatte die Fäuste geballt, Edwin atmete schnell – doch sie wandten sich nicht ab, und als Duma ein Lächeln auf seine Lippen schickte, verlor sich die Anspannung in ihren Augen, und auch ihre Gesichter erstrahlten in stillem Glanz.
Schweigend schauten sie zu Mia herüber. Sie wusste, dass sie nicht grundlos gekommen waren. Sie trugen eine Bitte in ihrem Blick, und ohne dass sie ein Wort sagen mussten, neigte Mia vor ihnen den Kopf. Sie spürte ihre Angst, ihre Befremdung, sie wusste, dass sie ihr fern waren, unendlich fern – und doch
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