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Grim

Grim

Titel: Grim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Schwartz
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namens Buhrr gesteuert wurde. Doch an diesem Abend hatte Lyskian seinen Chauffeur offensichtlich vom Dienst befreit. Er hielt Mia die Tür auf, und sie ließ sich auf den breiten Ledersitz sinken. Das Armaturenbrett leuchtete phosphorblau, und als Lyskian den Wagen startete, hörte es sich tatsächlich an wie das samtene Grollen einer Raubkatze. Gleitend und beinahe lautlos fuhren sie durch die Straßen, und während der Mond seinen Schein durch das Glasdach warf, schaute Mia auf Lyskians Hände, die auf dem Lenkrad ruhten. Sie musste lächeln, als sie daran dachte, wie er ihr vor einer ganzen Weile dieses Auto gezeigt und dabei besonderes Gewicht auf das beheizte Lenkrad gelegt hatte. Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht unter meinen kalten Fingern leide , hatte er ihr mit einem Lächeln erklärt. Und wie albern würde der Prinz der Vampire mit Fausthandschuhen aussehen!
    Leise drang klassische Musik aus den Boxen und verstärkte den Eindruck, dass sie sich in einer ganz eigenen Welt befanden, einem Refugium mit gepanzerten Fenstern, das sie vor dem Draußen schützte. Und doch sah sie hinter den Scheiben immer wieder die Bilder des Jahrmarkts auftauchen, die Flammen, die nach ihr schlugen und am Glas abglitten. Raskaya Vara’ntyn , flüsterte die Nacht, und als sie das Département Seine-Saint-Denis im Norden der Stadt erreichten, schien es Mia, als würde die Finsternis vor den Fenstern sich in einen Abgrund verwandeln.
    Unruhig setzte sie sich auf. Sie mochte den Hauch des Fremden, der jeden ihrer Schritte begleitete, wenn sie allein durch diese Gassen ging, aber sie hatte schon lange vor ihrer Bekanntschaft mit der Anderwelt die Gefahr gespürt, die in diesem Banlieue lauerte. Sie kam nicht nur von den Werwölfen, die bevorzugt in den magiefreien Zonen wohnten, die Saint Denis durchzogen, oder von den Wandlern und Geistern rings um den Dom. Auch viele der Menschen trugen sie in sich, diese Anspannung eines in die Ecke gedrängten Tieres, das bei jeder unvorsichtigen Bewegung zuschnappen konnte – und ganz besonders jene Menschen, zu denen sie nun auf dem Weg waren.
    Lyskian hielt vor einem halb aus den Angeln gefallenen Tor, hinter dem ein brachliegendes Baugelände lag, und ignorierte die jungen Männer, die auf einem Mauervorsprung hockten und unverhohlen feindselig zu ihnen herüberschauten.
    »Hältst du es für klug, deinen Wagen ausgerechnet hier abzustellen?«, fragte Mia gedämpft, als sie ausstiegen.
    Lyskian hob leicht die Brauen. Wortlos verriegelte er die Türen – und im selben Moment glitt ein kaum merklicher grauer Schimmer über das Metall. Mia fühlte die eisige Kälte, die auf einmal von dem Wagen ausging, und wich instinktiv zurück. »Für gewöhnlich genügt der Zauber zur Abschreckung«, stellte Lyskian fest. »Ich habe allerdings auch schon Menschen mit festgefrorenen Gliedern auf meiner Kühlerhaube gefunden. Nun, es ist nie ratsam, sich in die Kälte zu begeben, wenn man ihr nicht gewachsen ist, nicht wahr?«
    Sein Lächeln wirkte entspannt, und als er die jungen Männer mit einem Blick streifte, erstarrten sie in ihren Bewegungen, als hätte er einen Bann über sie gelegt. Sie kannten ihn, das stand außer Frage, und Mia sah die Furcht in ihren Augen und das Misstrauen, als sie eilig von der Mauer sprangen und hinter dem Tor verschwanden. Sie folgte Lyskian auf das Gelände, auf dem sich Wellblechhütten, ausrangierte Wohnwagen und provisorisch zusammengezimmerte Bretterverschläge aneinanderdrängten. Im Gegenlicht des Mondes stiegen feine Rauchsäulen aus den Bruchbuden, zwischen denen Rinnsale über den Asphalt liefen. Wäscheleinen spannten sich über den schmalen Gassen, Kindergeschrei zerriss die Luft und Musik drang aus den Behausungen, vielstimmig und warm. Doch stärker als all das nahm Mia den Duft wahr, der durch das Lager ging, ein Geruch von verbrannter Erde und Blut unter schmutzigen Nägeln, der von fernen Ländern erzählte und fremden Gedanken. Grausam und betörend war er und von einer fast körperlichen Präsenz, dass Mia den Atem anhielt. Dieser Duft verstörte sie, und gleichzeitig erfüllte er sie mit dem Drang, herausfinden zu müssen, woher er kam. Kaum hatte sie das gedacht, griff ihr ein Windhauch wie eine prüfende Hand ins Gesicht. Kurz meinte sie, die Funken des Jahrmarktfeuers, das sie in Lyskians Augen erblickt hatte, auf dem Asphalt zu sehen. Gleich darauf glitt er rauschend davon, und ein Lachen erfüllte die Luft, heiser und rau. Und mit dem Lachen

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