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Grim

Grim

Titel: Grim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Schwartz
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Tiere, und als sie in die Schatten sah, die sich in den Ecken des Raumes türmten, schaute sie einem ausgestopften Raben in die Augen. Ein halb zerrissenes Tuch hing quer über der hinteren Wand. Aus irgendeinem Grund erinnerte es Mia an ihre Vorhänge im Atelier, doch der Gedanke ließ sie frösteln. Spinnweben zerrissen knisternd, als Lyskian das Tuch beiseiteschob. Dahinter lag eine Holztür, schwer und mit finsteren Gesichtern verziert, die ihnen mit den Blicken folgten, als sie hindurchtraten.
    Mia rechnete damit, auf der anderen Seite der Hütte herauszukommen, doch zu ihrer Verwunderung fand sie sich in einem schmalen hölzernen Gang mit knarrenden Dielen und einer Reihe winziger, schief in der Mauer sitzender Fenster wieder. Sie schaute hindurch, doch statt des Lagers der Roma sah sie nichts als roten Sand, der in Schwaden gegen das Glas drückte. Der Gang war so lang, dass er unmöglich in die Hütte passen konnte, und obwohl keine Türen von ihm abzweigten, meinte Mia immer wieder, Schritte über und neben sich zu hören. Vereinzelt hingen Bilder an der Wand, die braungebrannte Gesichter zeigten, doch jedes Mal, wenn sie näher heranging, verzerrten sie sich zu boshaften Fratzen und glotzten ihr grinsend nach. Gleichzeitig begannen sie zu flüstern, Raskaya Vara’ntyn murmelten sie, und Mia bemerkte, wie Lyskian die linke Hand auf Augenhöhe hob, ein untrügliches Zeichen dafür, dass er einen Angriff befürchtete. Schatten glitten aus den Bildern heraus, sie folgten ihnen, während sie ihre Schritte beschleunigten, und je schneller sie den Gang entlanghasteten, der kein Ende zu nehmen schien, sondern im Gegenteil immer länger wurde, desto gehetzter klangen die Stimmen. Viele Namen flüsterten sie nun, Namen von uralter Macht, die Mia noch nie gehört hatte und die ihr doch so vertraut vorkamen wie aufsteigende Erinnerungen an etwas ungemein Wichtiges, das sie vergessen hatte.
    Tausendfeuer , raunten die Stimmen, Hymbal, die Dornenkönigin. Gefressen von K’orrm, Sturm des Westens, geboren aus Asche und Salz, gewandert durch Raum und Zeit und verloren in Ewigkeit, Amathuris, Kreatur der Dämmerung.
    Mia spürte eine Berührung an der Schulter, sie fuhr herum und verscheuchte eine Heuschrecke, die schnarrend nach ihrem Gesicht greifen wollte. Lyskian zog sie mit sich, doch die Stimmen wurden laut und schneidend.
    Wir sehen euch , zischten sie, und die Schatten griffen nach Mias Kehle . Was wollt ihr? Was wollt ihr hier?
    Da riss Lyskian die Faust hinab, ein gleißendes Licht entfachte sich auf seiner Hand und trieb die Schatten in die Bilder zurück. Er neigte den Kopf und schaute den Gang hinunter, als würde er an dessen Ende etwas sehen, das Mia verborgen blieb. »Rak’nyon Nh’amures«, flüsterte er, und ein Schleier flog den Gang hinab, der sich für einen winzigen Moment über eine kleine, schemenhafte Gestalt mit langen Haaren und stechenden schwarzen Augen legte. Gleich darauf glitt der Schleier als silbernes Tuch zu Boden. Ein Lachen drang durch den Gang, während dieser sich zusammenzog. Sein Ende, gerade noch im Nirgendwo verloren, raste auf Mia zu. Der Boden bebte heftig, nur knapp gelang es ihr, das Gleichgewicht zu bewahren. Dann war der Zauber vorüber. Wenige Schritte vor ihnen prangte eine grüne Holztür mit goldenen Intarsien darin, und als sie sich mit leisem Knarren öffnete, vernahm Mia eine raue, warme Stimme.
    »Pas’trahve«, flüsterte sie, »willkommen jenseits der Welt.«
    Miakonntenichtverhindern,dassihrderAtemstockte,alssiehinterLyskiandurchdieTürtrat.SiehörtedasGelächterderMenschenundfühltedieHitzedesFeuersschonaufihremGesicht,alssieesnochnichtsehenkonnte,unddannstandsieaufdemMarktplatz,densiebereitsinLyskiansAugenwahrgenommenhatte.DieLuftwarerfülltvonwilder,ungezügelterMusik,esrochnachgebratenemFleischundKaramell,undbunteLichterwarenzwischendenWagengespanntworden,diedenPlatzsäumten.ÜberallwarenMenschen,siesangenundlachten,undalseinjungesMädchenaufeinemPferdüberdasFeuersprang,johltensieundklatschtenBeifall.EinigeMännerspieltenaufaltenInstrumenten,währenddieFrauenleidenschaftlichdazutanzten.IhreRöckewarendemFeuersonah,dasssieFunkenschlugen,ihrHaarflatterte,unddieSchellenanihrenArmenundFußgelenkenklangendurchdieMusikderMännerwieeineVerheißung.VerzaubertsahMiaindietintenschwarzenAugendieserMenschen,undsiefandkeineFeindseligkeitdarin,keineRastlosigkeit,keinengebrochenenStolz.DieseMenschenwarenfrei.
    Kaum hatte sie das gedacht, bemerkte sie den Zirkuswagen mit

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