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Grim

Grim

Titel: Grim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Schwartz
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verbrennen. Dabei lebten hier, in der Unter- und Oberwelt Prags, die ältesten Vampire der Anderwelt, und es brauchte andere Kräfte als Licht oder Feuer, um sie zu töten. Grim wusste, wovon er sprach. Er hatte oft genug mit Blutsaugern zu tun gehabt, die ihre Grenzen nicht akzeptieren wollten. Sie waren gefährlich, jeder einzelne von ihnen. Er ließ die Gelenke seiner Klauen knacken und lächelte kaum merklich. Aber da waren sie nicht die Einzigen.
    Der Vampir war kaum noch mehr als wenige Schritte von ihnen entfernt, und Remis rutschte peinlich nah an Grims Hals. Höflich hob der Blutsauger die linke Hand an die Stirn, aber die Geste wirkte wie einstudiert, wie die Parodie einer Begrüßung. Grim nickte unmerklich. Er spürte den eisigen Hauch, der sie streifte, als der Vampir in möglichst weitem Abstand an ihnen vorüberging. Remis hustete heiser, und als er sich von Grims Ohr löste, rieselte Raureif von seinen Haaren.
    Sie erreichten den Bahnsteig, und Grim war froh, dass nur wenige Vampire mit ihnen auf den Zug warteten. Sie standen weit voneinander entfernt, einige reglos wie Statuen, andere unruhig umherschauend, doch alle mit diesem lauernden, eiskalten Ausdruck in den Augen, der die Luft mit klirrendem Frost erfüllte. Grim fühlte ihre Blicke tiefer dringen, durch sein Fleisch bis zu seinem Herzen – dem Herzen eines Menschen. Mit finsterer Miene starrte er sie an, jeden Einzelnen zwang er, sich abzuwenden. Mochte er auf ihre Hilfe angewiesen sein, aber der Tag, da er sich auf diese Weise von ihnen ansehen lassen musste, würde niemals kommen, so viel stand fest. Gerade hatte er den letzten Blutsauger dazu gebracht, vor ihm den Blick zu neigen, als ein Dröhnen die Luft durchzog und der Langstreckenzug aus Paris in den Bahnhof einlief. Er war noch größer und prächtiger als die vampirischen Züge des Metronetzwerks, und er verfügte über jede Annehmlichkeit, die sich die eiskalten Gehirne der Blutsauger ausdenken konnten. Als er zum Halten kam, verursachte er keinerlei Geräusch. Geisterhaft stieg Rauch von den Schienen auf, die Fahrgäste traten in leise Gespräche vertieft auf den Bahnsteig. Grim ließ ihre Blicke von sich abgleiten, und er war erleichtert, als er Mia und Lyskian zwischen ihnen entdeckte.
    »Ein Wunder, dass du inmitten der Hohen Gesellschaft nicht erfroren bist«, sagte er und zog Mia an sich. Ihr Haar hatte den Geruch der Vampire angenommen, aber darunter, unzerstörbar und trotzig, fand er den Duft von Sturm und Meeresluft, den er an ihr liebte, und lächelte.
    Mia strich ihm über die Wange. »Es wäre kälter gewesen, wenn ich mit dir geflogen wäre. Aber ich hätte es trotzdem getan. Du warst es, der sich Sorgen gemacht hat.«
    »Warum bloß? Wenn ich mich hier umsehe … « Remis erhob sich von Grims Schulter, warf den an ihnen vorbeieilenden Vampiren Blicke zu und schaute dann unauffällig rechts und links auf Mias Halsschlagader.
    »Eure Sorge ist unbegründet«, sagte Lyskian mit kaltem Lächeln. »Niemand hätte es gewagt, uns zu nahe zu kommen.«
    In der Tat hielten die Vampire Abstand, auch jetzt, da ihr Prinz nur dastand und sie keines Blickes würdigte. Grim nickte kaum merklich. Er hatte gewusst, dass Mia bei Lyskian in Sicherheit war – und doch war er froh, sie wieder bei sich zu haben. Gemeinsam verließen sie den Bahnsteig, und Grim erzählte in knappen Worten von Mouriers Nachricht.
    Lyskians Miene verfinsterte sich. »Wir müssen vorsichtig sein«, sagte er. »Und die Zeit drängt. Der Lord wird wissen, wie es um die Anderwelt Prags bestellt ist und wem die freien Dämonen in seiner Stadt die Treue halten. Eines ist sicher: Wenn uns jemand bei der Suche nach den Rhak’ Hontay helfen kann, dann ist es Bhragan Nha’sul.«
    Grim erwiderte nichts. Er kannte den Lord der Vampire beinahe nur vom Hörensagen – Bhragan Nha’sul, das Auge des Ostwinds und der Schatten des Kry, der Bezwinger der Wölfe Aspras und Gebieter über die Brennende Steppe und das Volk der Ewigen. Er hatte ihn einmal aus der Ferne gesehen, damals bei den Aufständen Prags, ein uralter und mächtiger Vampir, der sein Volk noch immer mit eiserner Hand führte. Er dachte an die Weigerung des Lords, in dem Konflikt mit den Feen Partei zu ergreifen, und an die Verzweiflung in Lyskians Augen, als selbst der Prinz sich nicht gegen die höchste Autorität seines Volkes hatte wehren können. Bhragan Nha’sul, ein Name wie ein Fluch. Und Grim spürte wie jedes Mal, wenn er ihn auch nur dachte,

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