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Grim

Grim

Titel: Grim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Schwartz
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die lähmende Kälte, die mit jedem Ton in seine Glieder kroch.
    Offensichtlich schlug nicht nur ihm die Erwähnung des Lords auf den Magen. Remis zog sich den Schal enger um den Leib und ließ sich mit einem leisen Ächzen auf seiner Schulter nieder.
    »Und wo finden wir ihn?«, fragte Grim gedämpft. »Ich hörte, dass er sich am Ostufer niedergelassen haben soll.«
    »Der Lord hat viele Residenzen«, erwiderte Lyskian. »Doch zurzeit hält er sich abseits der Stadt auf, in der Nähe des Waldes, denn … « Ein düsteres Funkeln ging durch seinen Blick, als er lächelte. »Es ist Jagdsaison.« Mia sah ihn fragend an, doch Lyskian öffnete nur eine Tür in der Tunnelwand und hielt sie auf. »Zu Fuß ist der Weg zu weit, aber ich weiß, wie wir schnell dorthin gelangen.«
    Grim warf ihm einen Blick zu. »Schnell«, wiederholte er. »Und sicher, wie ich hoffe.«
    Lyskian lächelte strahlend. »So sicher wie in den Armen eines Blutsaugers, mein Lieber«, erwiderte er und lachte leise.
    Seufzend nahm Grim Mias Hand und folgte dem Vampir hinein in das Straßengewirr Prags. Erneut nahm er die Stille wahr, die in der Stadt herrschte, doch sie war anders als die Stille in Paris, die drückend und nervös auf das Gemüt schlug, weil sich jeder Atemzug in ihr verlor und darauf hinwies, dass die Menschen verschwunden waren – die Menschen, die Paris, die Stadt des Lichts, zu dem machten, was sie war. Hier jedoch, in der Moldau-Metropole, schien es Grim, als würde nur ein einzelner Ton verschwunden sein, ein Klang von so vielen, dass er beinahe nicht ins Gewicht fiel. Er fehlte, aber die Stadt war nach wie vor auf eine seltsame Art vollständig, und als er die Geister wahrnahm, die wie Nordlichter über das Wasser schwebten, die schattenhaften Bewegungen der Vampire in den Straßen oder das Heulen eines Wolfs in den Häuserschluchten, da schien es ihm, als würde die Stadt bloß Atem holen für ein Requiem auf die Menschen. Die Häuser drängten sich dicht aneinander, als würden auch sie die Kälte fühlen, und Grim umschloss Mias Hand mit beiden Klauen. Die Sorge um ihre Familie und die Menschen stand ihr ins Gesicht geschrieben, aber es lag auch ein Staunen auf ihren Zügen, und als sie einen pechschwarzen Kobold sah, der hinter einem Fenster auftauchte und eine so fürchterliche Grimasse schnitt, dass Remis zusammenfuhr, lachte sie. Sie folgten Lyskian in einen Torbogen – und Grim nahm umgehend einen scharfen Geruch wahr. Remis hustete wie zur Bestätigung und verzog angewidert das Gesicht.
    »Pferdemist«, sagte er und machte ein Übelkeitsgeräusch, als würde er jeden Augenblick seine Zunge bis auf Grims Schulter herabhängen lassen. Gleich darauf fanden sie sich in einem Hinterhof wieder, in dem sich das windschiefe Gebäude einer Kutschenstation befand. Die Holzläden des Tores standen offen, flackerndes Licht drang feuergleich durch die schmutzigen Fensterscheiben. Grim bemerkte Gestalten im Inneren des Gebäudes, die Bewegungen durch das unstete Licht zu Schattenspielen verzerrt, und er hörte das Wiehern der Pferde. Sofort verfinsterte sich sein Gesicht.
    »Es erstaunt mich zu sehen, dass ein scheinbar zivilisiertes und modernes Volk wie das der Vampire noch immer auf derart vorsintflutliche Fortbewegungsmittel zurückgreift«, grollte er und fühlte Remis auf seiner Schulter heftig nicken.
    Doch Lyskian lachte nur. »Mich erstaunt vielmehr, wie wenig ihr noch immer über mein Volk wisst – und wie viel Angst ein Schattenflügler vor einem Vierbeiner hat, der größer ist als er selbst.«
    Grim schwieg. Er spürte Mias neugierigen Blick, aber er war vollends damit beschäftigt, Lyskian eine Pest für Blutsauger an den Hals zu wünschen. Der Kerl verstand sich darauf, seinen untoten Finger in die Wunde zu legen. Grim hörte das Wiehern wie Hohngelächter zu sich herüberklingen. Er hatte in der Tat nicht sonderlich viel übrig für Pferde, hatte es noch nie gehabt, und spätestens seit seinem Erlebnis mit dem Höllenross in Laurins Rosengarten vor nicht allzu langer Zeit, wusste er, dass sich daran auch nichts ändern würde. Und jetzt musste er also in einer verfluchten Kutsche über das Pflaster Prags holpern, mit eingezogenem Kopf und einem kotzenden Kobold auf der Schulter.
    Im Inneren des Gebäudes stank es bestialisch. An den mächtigen Balken, die die Decke stützten, flackerten in metallenen Zylindern Kerzen und magische Lichter. Der Fuhrpark der Kutschen verlor sich in schattigem Dämmerlicht, und

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