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Grim

Grim

Titel: Grim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Schwartz
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aus blauem Licht, an das Meer aus Nacht und die Flamme, die mit ihrer Kälte seine Unruhe gelindert und gleichzeitig mit gierigen Klauen nach allem gegriffen hatte, was er war. Folge ihrer Stimme nicht , drangen Seraphins Worte durch seine Gedanken, und er schüttelte kaum merklich den Kopf. Nein , dachte er. Das hatte er nicht vor.
    Remis holte auf seiner Schulter Luft, und gerade, als Grim glaubte, einer weiteren Nies-Attacke ausgesetzt zu werden, sah er es auch. Vor ihnen glitten die Schleier der Nacht auseinander wie die Vorhänge in einem Mitternachtszirkus. Die Stadt tauchte vor ihnen in der Finsternis auf – eine Stadt aus goldenen Schatten. Er spürte den Wind ihrer verwinkelten Gassen, hörte die Gebäude in rauer, kehliger Sprache wispern und nahm ihren Duft wahr, rauchig und schwer wie ein altes, verklingendes Lied. Sie war eine Märchenerzählerin, die Stadt, die vor ihnen lag, und noch ehe Grim wie in früheren Zeiten ihre Stimme hörte, noch ehe er wusste, wovon die Geschichte dieses Mal handeln und wie sie enden würde, lächelte er. Vor ihnen lag Prag, die Goldene Stadt, und ja – er hatte sie vermisst.
    Remis war auf seiner Schulter aufgestanden, und an seinem hingebungsvollen Seufzen erkannte Grim, dass der Kobold seinen Ärger vergessen hatte. Auch er war schon einmal in Prag gewesen, lange bevor sie sich kennengelernt hatten, doch seine Erinnerungen an diese Stadt waren leicht und warm wie die meisten Gedanken eines Kobolds. Grim hingegen fiel es umso schwerer, die Bilder der Aufstände aus seinem Schädel zu treiben, je näher sie kamen. Er wollte nicht mit dem Geruch von Blut und verbranntem Fleisch in der Nase in diese Stadt zurückkehren, nicht mit dem Gedanken an die gefallenen Schattenflügler von damals, die Enge in den Katakomben und das Lächeln von Verus, der über ihm gestanden hatte – mit nichts als Schweigen und Geheimnis im Blick.
    Majestätisch erhob sich die Prager Burg mit dem Veitsdom auf dem Hradschin, viele Straßen waren noch immer erleuchtet und strömten wie goldene Adern das Viertel Kleinseite hinauf, doch Grim schaute hinüber zum Vyšehrad, dem Moldaufelsen, der sich in zwielichtige Dunkelheit hüllte. Die Peter-und-Paul-Kirche war kaum zu erkennen, aber in dem Hügel unter ihr lag Islis, der Fuchsbau, wie die Gargoyles von Prag ihr kleines Viertel nannten. Viele waren es nicht, denn auch, wenn das Steinerne Volk die Macht über die Anderwelt innehatte, herrschten in Prag die Vampire, und nicht jedem Steinschädel gefiel es, sich von den Blutsaugern regieren zu lassen. Doch die Gargoyles des Islis waren anders. Manchmal schien es Grim, als wären sie aus den Grundmauern des alten Prags entstanden, denn sie trugen dieselbe Verschrobenheit in sich wie manche dunkle Gasse, denselben Starrsinn wie die steinernen Brücken und denselben Hauch von Zauber und Verwunschenheit wie die ganze alte Stadt. Grim mochte die Prager Gargoyles sehr, und er hätte viel darum gegeben, nun zu ihnen ins Viertel zu fliegen, um in einer ihrer gemütlichen Absteigen zu sitzen und Remis dabei zuzusehen, wie er sich an einem Fingerhut gargoylschem Alkohol betrank. Stattdessen wurde er in die Hohe Gesellschaft der Blutsauger eingeführt, großartig. Davon hatte er seit Jahrhunderten geträumt.
    Er landete vor dem Hauptbahnhof, und kaum, dass seine Klauen den Gehweg berührten, spürte er die geisterhafte Stille der Stadt mit jeder Faser seines Körpers. Er verschloss sich vor ihr, doch Remis rutschte näher an sein Ohr heran, und als sie den Bahnhof betraten und Grim das Licht auf sich fühlte, verfinsterte sich seine Miene. Wie lange würde dieser Schein noch da sein, den die Menschen sich zum Schutz vor der Dunkelheit erschaffen hatten, dieses hilflose Glimmen in einer Finsternis, die nur Luft zu holen brauchte, um jedes sterbliche Feuer zu ersticken?
    Er durchquerte den Bahnhof und ignorierte die Schatten, die sich durch die Tunnel bewegten. Nur zu deutlich nahm er den ranzigen Gestank der Werwölfe wahr, die ihm nachschlichen, ehe sie sich entschlossen, keinen Kampf zu riskieren. Er hatte kein Interesse daran, mit ihnen in Kontakt zu treten. Schlimm genug, dass er in dieser Nacht mit jeder Menge Blutsaugern zusammentreffen würde, da musste er sie mit dem Geruch ihrer Erzfeinde nicht unnötig reizen.
    Vor einer mit Graffitis übersäten Metalltür blieb er stehen und berührte einen leicht vorstehenden Stein in der Wand. Lautlos öffnete sich die Tür, und kaum, dass er einen Schritt in den

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