Grim
lautes Wiehern und Schnauben ließ Remis hektisch zusammenzucken. Einige Schattenkobolde reinigten mit missmutigen Gesichtern eine Kutsche, andere schwirrten mit Formularen oder Pferdekram durch die Gegend, und alle warfen den Neuankömmlingen neugierige Blicke zu. Sie waren entfernte Verwandte der Moorkobolde, die Remis bezüglich der äußeren Erscheinung erstaunlich ähnelten, auch wenn dieser das stets vehement bestritt. Auch sie hatten struppiges, langes Haar und Knollennasen, auch sie verfügten über ungeheure Neugier und Abenteuerlust – aber die meisten von ihnen waren tückisch und verschlagen und immer auf ihren eigenen Vorteil bedacht. In seiner Jugend hatte Remis einige unschöne Erfahrungen mit Angehörigen dieses Volkes gemacht, die mit einem Fliederstrauch, einem Schwarm Bienen und einem zerstochenen grünen Koboldgesäß zu tun hatten, und vielleicht lag es daran, dass sein Gesicht sich bei ihrem Anblick in das seekranke Spiegelbild einer verschrumpelten Zitrone verwandelte.
Mit verschränkten Armen hockte der Kobold auf Grims Schulter, als dieser zu Lyskian an den Tresen neben der Tür trat. Dahinter hockte, umgeben von klapprigen Regalen voller Zaumzeug, Schlüssel, Karten und lederner Bücher, ein spitzohriger Graugnom mit Zwicker auf der Nase und einem Folianten auf seinen knochigen Knien. Er trug eine graugestreifte Hose, abgelaufene Schuhe mit Gamaschen und ein Hemd, über das er eine alte Samtweste gezogen hatte. Seine linke Hand steckte in einer Bandage aus nebelgrauem Leder, die mit reichen Verzierungen versehen und das einzig Prunkvolle an dieser Erscheinung war. Die Nägel des Gnoms waren grau wie sein Haar, das nur noch vereinzelt und in federleichten langen Strähnen seinen Kopf umflog, doch als er aufsah und seine Kundschaft betrachtete, glommen seine Augen in funkelndem Grün auf. »Prinz der Vampire«, sagte er und grinste, ohne sich zu rühren. Seine Zähne waren mehr als lückenhaft, und in seinem Lächeln lag eine spöttische Überheblichkeit, die Grim gefiel. »Es ist lange her, nicht wahr? Vielleicht nicht lange genug.«
Grim schaute zu Lyskian hinüber, in der Hoffnung, er würde wenigstens einen leichten Anflug von Zorn in seinem Gesicht erkennen können. Doch der Vampir lächelte nur und legte eine kalte Grausamkeit in seinen Blick, was für gewöhnlich dazu führte, dass sein Gegenüber sich eine weitere Bemerkung dieser Art sparte.
»Ihr seid gastfreundlich wie seit jeher, Ma’bhrru«, stellte er fest, und die Verbindlichkeit in seiner Stimme ließ Remis merklich zittern. »Doch Ihr solltet nicht so nachlässig sein mit euren Boten. Als er mit Eurer Antwort auf meine Reservierung eintraf, war ich nicht zu sprechen, und statt – wie vereinbart – umgehend wieder aufzubrechen, zog er die Gesellschaft meiner Freunde vor. Sie wird ihm nicht bekommen sein, wie ich vermute. Sicher weiß ich es jedoch nicht. Als ich hinzukam, fand ich lediglich Eure Nachricht auf dem Boden, leicht befleckt von etwas schwarzer Tinte oder auch … Schattenkoboldblut.« Immer noch lächelnd zog er einen Samtbeutel aus seinem Mantel und warf ihn auf den Tresen. »Es ist doch immer wieder eine Freude, mit Euch Geschäfte zu machen.«
Ma’bhrru fixierte ihn mit finsterem Blick und spuckte grünen Speichel in einen Napf neben seinem Tresen. Dann griff er nach dem Beutel und stopfte ihn in seine Tasche. »Ihr seid verflucht, Prinz, daran besteht kein Zweifel, Ihr und alle anderen Eurer Art.«
Lyskian nickte kaum merklich. »Es ist Euch nicht entgangen, wie aufmerksam. Doch umso mehr solltet Ihr eine Warnung verstehen, wenn ich sie ausspreche. Der Lord mag Eure Anmaßungen tolerieren, weil Ihr ihn amüsiert, doch seine Launen sind wechselhaft. Ihr wisst das. Und ich … « Er hielt kurz inne und Grim spürte die Kälte, die er aussandte. »Ich war noch niemals tolerant.«
Ma’bhrru presste die Zähne so fest aufeinander, dass es knirschte. Er wollte gerade zu einer Antwort ansetzen, als ein kopfloser Reiter hereinkam. Grim bemerkte seinen durchscheinenden Körper und musste lächeln, als er den Kopf an seinem Gürtel sah. Die Geister Prags hatten schon immer eine eigenwillige Art von Humor gehabt.
Ma’bhrru nickte dem Kopf des Reiters zu, ehe er ihm ein mit Aschesiegel versehenes Kuvert gab. »Sei diesmal pünktlich«, murmelte er. »Basilisken warten nicht gern.«
Der Reiter nuschelte eine Erwiderung, dann verschwand er durch die Tür, ohne sie zu öffnen.
Ma’bhrru schaute Lyskian an.
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