Grim
Vampire: Es könnte sein, dass wir uns die Hände schmutzig machen werden auf dieser Reise. Und eines steht fest: Ich werde dein Maniküre-Täschchen nicht tragen.«
Lyskian erwiderte Grims Lächeln nicht ohne Spott, doch gleich darauf wurde er wieder ernst. Die Schatten kehrten in seine Augen zurück. »Wir werden andere Probleme haben als schmutzige Hände«, erwiderte er fast lautlos. »Unser Weg führt uns ins Zentrum der vampirischen Macht, dorthin, wo sich bereits zwei Mal das Schicksal dieser Welt entschieden hat. Unser Weg führt nach Prag – in die Goldene Stadt.«
Kapitel 13
Die Wälder Tschechiens lagen in märchenhafter Düsternis. Zerfetzte Wolken trieben über den Himmel, und der Mond warf sein eisglühendes Licht in die endlose Dunkelheit der verlassenen Welt.
Grim spürte seinen Schein wie Hohngelächter auf der Stirn. Die Kälte der Nacht war ihm in die Glieder gefahren, sein Nacken schmerzte im Wind, und in regelmäßigen Abständen zerriss ihm ein wütendes Niesen beinahe das Trommelfell. Zum wiederholten Mal wischte er Remis von seiner Schulter, doch der Kobold kehrte umgehend dorthin zurück und schnäuzte sich lautstark. Grim ging jede Wette ein, dass er dabei mit voller Absicht schmerzhaft hohe Geräusche ausstieß. Denn seit er den Vorschlag des Kobolds, doch mal eben im L’hur Bhraka vorbeizuschauen, abgelehnt hatte – es ist nur ein winziger Umweg, so klein, dass du es kaum merken wirst – , hatte dieser schlechte Laune und über eine sehr lange Zeit ohne Unterbrechung an allem herumgemeckert. Erst, als Grim ihn darauf hingewiesen hatte, dass er jederzeit einen in der Tat winzigen Umweg fliegen würde, um Remis in dem Vampirzug unterzubringen, der gerade mit Mia und Lyskian und einigen hundert Blutsaugern nach Prag raste, hatte er Ruhe gegeben, sich in seinen Schal gewickelt und mit finsterer Miene in die Nacht gestarrt. Nur niesen tat er, was das Zeug hielt, und er seufzte von Zeit zu Zeit inbrünstig vor sich hin.
Grim schüttelte kaum merklich den Kopf. Er hatte nun wirklich andere Sorgen als die Liebesangelegenheiten eines Kobolds. Kurz nach ihrer Abreise hatte Mourier ihn darüber informiert, dass einige Suchtrupps der Schattenflügler von freien Dämonen angegriffen worden waren – Dämonen, die sich durch den drohenden Krieg zu Frechheiten ermutigt sahen. Grim zog die Brauen zusammen. Es gefiel ihm nicht, Mia in einem Zug voller Vampire zu wissen, aber das war immer noch besser, als sie den Gefahren auszusetzen, denen sie während eines Fluges begegnet wäre. Bereits mehrfach war er umherstreunenden Dämonen ausgewichen, denn er wusste, dass viele von ihnen nur darauf warteten, sich für die Unfreiheit und Gängelei der vergangenen Jahrhunderte zu revanchieren.
Mit finsterer Miene flog er dicht über den Baumwipfeln dahin. Fremdartig strich der Wind über seine Haut, er erinnerte sich an damals, als er mit den anderen Schattenflüglern nach Prag geflogen war, um den Aufstand niederzuschlagen, und wie in jener Nacht spürte er auch jetzt die Melancholie dieses Landes in seine Glieder ziehen. Er dachte an Kronk und die anderen, und er sah Verus vor sich, wie er inmitten der fallenden Scherben des Großen Walls schwebte. Deutlich fühlte er das Lächeln des Dämons, dieses Lächeln, das er nicht deuten konnte. Du hast vergessen, was damals geschehen ist, hörte er ihn in seinen Gedanken. Doch eines Tages wirst du dich erinnern. Verächtlich stieß Grim die Luft aus. Seit wann interessierte ihn das wirre Gefasel eines Dämons? Er konzentrierte sich auf seinen Flug, die kühle Nachtluft tat ihm gut, und doch drehten sich seine Gedanken schon nach kurzer Zeit wieder im Kreis wie betrunkene Gnome. Hatte er tatsächlich vergessen, was in den Katakomben passiert war? Gab es eine Lücke im Teppich seiner Erinnerung, der er sich näherte, Schwingenschlag für Schwingenschlag, als wäre er eine Motte, die auf die Goldene Stadt zuflog wie auf das tödliche Licht einer Kerze? Wie zur Antwort nahm das Brennen in ihm zu, doch er ballte die Klauen und drängte die Empfindung zurück. Verflucht, diese Gedanken machten ihn wahnsinnig. Dieses Land aus Schwermut und Dämmerung, das unter ihm verlassen dalag, war dafür verantwortlich, und der Mond, der ihm seinen elenden Silberglanz ins Gesicht spuckte, machte alles nur noch schlimmer. Seraphin tauchte vor seinem inneren Auge auf, den Verus mit halb zerfetzter Brust zurück in die Welt der Träume geschleudert hatte, er dachte an das Schloss
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