Grim
wollt.«
OhneeinweiteresWortgingervoraus.DieTürfielhinterihneninsSchloss.EswarnureinleisesKlickenzuhören,unddochschienesMia,alswürdedasLachenvonvorhinnunüberdenlangen,mitdickenTeppichenausgelegtenMarmorbodenstreichen.DerVampirführtesiedurchhalbdunkleZimmermitaltenPorträtsandenWänden,Tanzsäle,inderenEckensichdieSchattentürmten,undKorridore,dienurvonwenigenFackelnerhelltwurden.VieleGängeähneltensich,sodassMiabalddasGefühlhatte,ineinemLabyrinthherumzuwandern,undsiewarerleichtert,alsderDienereineTüröffneteundsichihnenderhelleScheinzahlreicherKerzenleuchterentgegenwarf.EswartotesFeuer,dasspürteMiasofort,undeslegtesichmitfroststarrendemGlanzaufsie.Musikklangzuihnenherüber,leidenschaftliche,zügelloseMusik – undStimmen.Miakanntediekalten,nurscheinbarmenschlichenOrganederVampire,unddochschienesihr,alshättesiebislanglediglicheinenSchattendavonwahrgenommen.DieseStimmenwarenälter,siewarenkaltundfestundglittenwieMesserklingenüberihreHaut,undgleichzeitiglagGesanginjedemTon,einLockenundLachen,dasvoneinemTanzamAbgrundkündete,denMianiemalsbegreifenwürdeunddersiegeradedeshalbanzog.SiefühltedasLächelnkaum,dassichaufihreLippenlegte,underst,alsderStromderStimmendurcheinenanderenLautunterbrochenwurde,glittderSchleierderVerführungvonihrerStirn,dendieVampiresoleichtübersterblichenWesenausbreitenkonnten.EswareinBrüllenvonsolcherTiefe,dassdasHeulenimParkdagegenverblasste,undsiewusste,dasseseinWerwolf war, der diesen Schrei ausstieß – ein Werwolf in Todesfurcht.
Mit einem kräftigen Schwung stieß der Diener eine zweiflügelige Tür auf, und sie traten in einen Saal mit Leuchtern an der Decke, unzähligen Fackeln und Kerzen an den verspiegelten Wänden und einem goldenen, mit Wachs und Asche beschmutzten Boden. Ein Orchester stand auf einer Bühne und spielte auf uralten Instrumenten. Vampire lehnten an den Wänden, sie saßen auf den Kanapees, den samtenen Sesseln und den Bänken, die in scheinbarer Willkür überall im Raum verteilt standen. Viele hatten sich um einen mit stählernen Streben geschlossenen Käfig versammelt. Darin kniete ein Werwolf, halb verwandelt und mit blutigen Striemen auf Brust und Gesicht. Ein Vampir stand mit glühenden Messern über ihm und fauchte zornerfüllt. Mia spürte die Anspannung, die in der Luft lag, und sie wusste, dass der Blutsauger die Kontrolle über sich verlieren würde, sollte er auch nur einen Tropfen von dem Lebenssaft des Wolfs auf seinen Lippen schmecken. Menschliches Blut konnte Vampire heilen, es konnte sie vor der ewigen Vernichtung bewahren, wenn sie verwundet waren, doch ebenso vermochte es sie in Raserei zu versetzen, und ein Werwolf war auch ein Mensch – jedenfalls mehr als jeder Vampir. Er stöhnte vor Schmerzen, doch kaum, dass Mia die Qual in seinen Augen gesehen hatte, wurde ihr Blick von einer anderen Gestalt angezogen, und während er wie gegen ihren Willen über die Reihen der Vampire hinwegglitt, erstarrten die Anwesenden in ihren Bewegungen und schauten zu ihr herüber, als hätten sie die Berührung durch ihren Blick gespürt. Sie bemerkte noch den Diener, der in einiger Entfernung zu ihr herüberstarrte. Dann sah sie den Lord der Vampire an.
Er saß, umgeben von zahlreichen Lakaien, am Kopf des Saales auf einem Thron aus Knochen. Die kalkbleichen Hände mit den schweren Ringen hatte er auf den Lehnen abgelegt, ein dunkler Gehrock betonte seine erhabene, hochgewachsene Gestalt, und pechschwarzes Haar umrahmte seine Züge wie die Schatten eines der Gemälde in seinem Labyrinth. Sein Mund war ein wenig zu breit, seine Nase erinnerte an den Schnabel eines Adlers, und doch glaubte Mia für einen Moment, noch niemals ein vollkommeneres Gesicht gesehen zu haben als das seine. Ein regloses Lächeln lag auf seinen Lippen, während er ihren Blick erwiderte und eine schwere Kühle um ihren Körper legte. Seine Augen waren blau – hellblau wie der Himmel an einem klaren Wintermorgen.
»Bhragan Nha’sul, Hoher Lord der Vampire«, begann Lyskian und riss Mia aus ihren Gedanken. »Ich entbiete Euch meinen Gruß.«
Wie benommen sah sie, dass Lyskian neben ihr den Kopf neigte, und beeilte sich, es ihm gleichzutun. Schnell warf sie den Blick zu Boden und spürte beinahe erschrocken, wie Hitze ihre Wangen flutete. Ihr Herz schlug schnell, das Blut strömte in ihre Finger zurück, als wäre sie für Stunden in eisiger Kälte gewesen, und dann hörte sie die Stille um sich herum, die sie gerade noch nicht bemerkt hatte. Die Gespräche waren verstummt, die
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