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Grim

Grim

Titel: Grim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Schwartz
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hören zu können. Sie hatte es nicht für möglich gehalten, dass es tatsächlich noch derartige Schlösser im Reich der Vampire gab, und selbst wenn sie es gewusst hätte, so hätte sie vermutlich darüber gelacht. Die Zeiten eines Grafen Dracula waren schließlich unwiderruflich vorbei. Aber bereits die Fahrt mit der Kutsche hatte sie an dieser Gewissheit zweifeln lassen, und nun, da sie auf dieses in blutigen Feuerschein getauchte Schloss zulief, da sie den Wind wispern hörte in den Bäumen und der Geruch von Alter ihr in die Nase stieg, erinnerte sie sich an den kühlen Hauch der Ewigkeit, den sie selten und auch dann nur sehr flüchtig in Lyskians Nähe gespürt hatte und der dem uralten Bild des Vampirs so nahe kam, dass sie die Schultern anzog. Die Blutsauger änderten sich nicht, das hatte sie immer gewusst, doch erst nun, da sie sich dem Schloss des Ältesten ihrer Art näherte, begriff sie, was das bedeutete, und sie erinnerte sich an die Worte aus einem Buch, das Lyskian ihr einmal gegeben hatte. Die Ewigkeit ist ein Gefängnis, aus dem es kein Entrinnen gibt, nicht einmal den Tod.
    Mia lauschte auf den Wind, auf ihre Schritte auf dem Kies, die wie Lichter über die Oberfläche eines Meeres tanzten, dessen Tiefe sie nicht begreifen konnte, und da durchdrang ein Ton die Nacht, ein haltloser, sehnsüchtiger Ruf. Lyskian blieb stehen, tiefe Rabenschwärze füllte seine Augen, und als er den Kopf in den Nacken legte, schien es Mia, als wäre sein Körper nicht mehr als eine dünne Haut über einem Abgrund. Erneut klang das Heulen durch die Nacht, näher dieses Mal – so nah, dass sie meinte, warmen Atem auf ihrer Haut zu fühlen. Voller Abscheu stieß Lyskian die Luft aus. »Wölfe«, sagte er und spuckte das Wort aus, als würde er es nicht länger als unbedingt nötig im Mund behalten wollen.
    Grim betrachtete die Schatten zwischen den Bäumen. »Sie kommen nah heran. Ich hörte, dass es Konflikte gab in letzter Zeit, Kämpfe vor den Toren der Stadt und … «
    Lyskian setzte seinen Weg fort. »Sie halten sich nicht an die Vereinbarungen. Sie dehnen ihr Revier aus, sobald wir sie nicht im Zaum halten, und jagen in unserem Herrschaftsgebiet. Sie sind eine Pest, das waren sie schon immer, und ihr Gestank schwängert die Luft, dass es mir die Sinne raubt.«
    Selten hatte Mia Lyskian im Zorn sprechen hören, und umso stärker schauderte sie nun. Seine Stimme war hart und eiskalt, und eine Glut stand in seinem Blick, die sie an Geschichten aus früheren Zeiten denken ließ, an die Jahre des Ersten Frosts und die Nächte des Blutes, in denen Werwölfe und Vampire einander in bestialischen Kriegen beinahe ausgelöscht hatten. Inzwischen gab es Abkommen und Reglementierungen, die beide Völker schützten, doch die uralte Feindschaft zwischen ihnen währte noch immer. Unmerklich hob Mia den Kopf, und da strömte ein Duft in ihre Nase, ein ungezügelter und würziger Geruch von Wildheit durchdrang die kalte Atmosphäre des Parks. Sie hatte von den Konflikten gehört, die in den Grenzgebieten tobten, sie kannte die Gründe für den Zwist zwischen diesen Völkern, und doch schien es ihr nun, da sie diesen Duft wahrnahm, als würde sich der gegenseitige Hass nur durch eines erklären lassen: Werwölfe und Vampire waren einander Spiegel, sie waren Pole, die drohten, den jeweils anderen auszulöschen, wenn sie sich zu nah kamen, und die doch in ihrem Inneren nichts anderes waren als ihr genaues Gegenbild.
    Erneut heulte der Wolf weit draußen in den Wäldern, doch da ging ein Wispern durch den Park, ein unheilvolles Raunen, getragen von einem einzigen Namen. Bhragan Nha’sul . Er peitschte die Blätter der Bäume auf, riss Mia das Haar zurück und verschlang die Stimme des Wolfs mit einem Schlag. Zischend zog der Name sich zurück, er glitt wie ein fühlbares Wesen über die Stufen ins Innere des Schlosses, und kurz meinte sie, ein Lachen zu hören, das ihr als eisige Hand über die Wange strich und sich gleich darauf scharf wie eine Klinge in ihr Fleisch senkte. Erschrocken hob sie die Hand, doch noch ehe sie ihre unversehrte Haut berührte, brach das Lachen in sich zusammen und ließ nichts zurück als das unheilvolle Raunen der Schatten zwischen den Bäumen.
    »Der Hang zur Theatralik scheint weit verbreitet zu sein in deinem Volk«, stellte Grim an Lyskian gewandt

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