Grim
da wie eine zum Sprung bereite Raubkatze, doch noch etwas anderes als Gier und Kälte ging durch seinen Blick, etwas Schemenhaftes, das wie Schnee und Winter war und das Mia nicht deuten konnte.
»Gut«, sagte er, ehe sie diesem Gefühl nachgehen konnte. »Es ist lange her, dass sich eine Sterbliche so bereitwillig in meine Arme begeben hat, die wusste, was ich bin. Aber ich erinnere mich. Das Blut solcher Menschen ist süß wie das Leben. Es wird mir ein Genuss sein, es zu kosten.«
Mia drängte die Furcht zurück, die bei seinem Lächeln über ihren Rücken strich. »Ihr wisst wenig von uns Hartiden, wenn Ihr glaubt, dass wir so leichte Beute wären«, sagte sie und stellte zu ihrer Genugtuung fest, dass ihre Stimme fest klang und sogar ein wenig spöttisch. »Zeigt mir, welchen Krieger Ihr mir bieten könnt. Ich hoffe doch, dass er mich nicht langweilt.«
Der Lord hob die Brauen, dann verstärkte er sein Lächeln. Wortlos nickte er einem Vampir in der Menge zu. Dieser war fast so groß wie Grim. Er trug eine graue Hose und schwere Stiefel, und sein freier Oberkörper zeigte zahlreiche Striemen, die ihm offenbar der Werwolf heute Abend beigebracht hatte. Sein dunkles Haar hatte er im Nacken zu einem Zopf gebunden, und sein Gesicht war kantig, als hätte er jede Sanftheit schon vor langer Zeit verloren. Seine Augen standen in schwarzer Glut, er lächelte voller Hohn, als er Mia gegenübertrat.
Mehrere Diener drängten die Menge zurück, so dass ein breiter Halbkreis vor dem Thron entstand. Eine grellrote Fackel wurde an seiner Seite aufgestellt, Mia fühlte das Feuer wie Schlangenbisse in ihrem Fleisch. Sie rührte sich nicht, doch sie spürte, dass Grim sich hinter ihr bewegte wie ein in Ketten gelegter Panther.
Bhragan Nha’sul sah sie direkt an. »Dies ist Srradan D’Aravego«, raunte er. »Er bezwang die Harpyie des Westlichen Meeres und stieg hinab zu den Wölfen in den Ruinen Bikárurs, der Stadt unter den Straßen Bagdads, um mir den Kopf ihres Leitwolfs zu bringen. Er brachte mir die Asche des gesamten Rudels. Kein Werwolf, der nicht beim Klang seines Namens erzittert, und kein Mensch, der nicht nach einem einzigen Blick von ihm den Verstand verliert, wenn er es will. Er ist mein bester Krieger.«
Mia nickte und schaute zu dem Vampir hinüber, der angesichts seiner aufgezählten Heldentaten herablassend lächelte.
»Ich bin Mia«, sagte sie ruhig. »Und ehe das Licht dieser Fackel dort erloschen ist, wirst du zu meinen Füßen liegen.«
Sie sah den Zorn in seinem Gesicht aufflammen, bevor es wieder gleichmütig wurde. Sie erinnerte sich an ihre Kampfstunden bei Lyskian, dachte an den Schmerz in ihren Gliedern, als sie ihm in den ersten Monaten beinahe nichts entgegenzusetzen hatte – und an die Stärke ihres Willens, der sie immer wieder dazu gebracht hatte, aufzustehen, ganz gleich, ob sie jeden Knochen ihres Körpers spürte oder sich aufgrund ihrer Schwäche in Grund und Boden schämte. Sie fühlte einen kühlen Hauch über ihren Nacken streichen und wusste, dass Lyskian in diesem Moment lächelte.
»Seht zu mir«, forderte der Lord sie auf und entfachte ein Feuer in seiner Hand. Kurz erhellte es sein Gesicht. Dann ließ er das Feuer fallen, und noch ehe es den Boden berührte, raste Srradan auf sie zu.
Mia wich ihm aus, blitzschnell warf sie sich zu Boden und entkam seinem Hieb. Sie sprang auf und rannte über Schollen aus Eis durch die Luft, doch Srradan breitete die Arme aus und glitt ihr nach, als würde er an unsichtbaren Seilen hängen. Das Eis zersplitterte an seinem Körper, und als Mia ihm einen Hitzezauber entgegenwarf, glitten die Flammen von ihm ab wie von Stein. Schwer atmend landete sie am Boden. Srradan war direkt hinter ihr, doch als sie sich herumwarf, sprang er so schnell, dass ihre Augen ihm nicht folgen konnten, auf die andere Seite. Kurz stand er ihr gegenüber, sie roch die rauchige Kälte, die seine Haut ausströmte, und spürte die Glut seiner Augen auf ihrem Gesicht. Sie meinte, Lyskians Stimme in ihren Gedanken zu hören, es waren Worte, die er in ihrer ersten Trainingsstunde zu ihr gesagt hatte. Es ist keine gute Idee von dir, einen Vampir herauszufordern. Srradan packte sie im Nacken. Sie schrie auf, als seine Kälte in ihre Glieder strömte, und spürte sein Lachen wie Peitschenhiebe. Du bist nur ein Mensch , schoss Lyskians Stimme durch ihren Kopf. Verdammt, Srradan war ein Vampir, er war ein Krieger, was war ihr bloß in den Sinn gekommen, ihn zum Kampf zu
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