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Grimes, Martha - Inspektor Jury 17 - Die Trauer trägt Schwarz

Grimes, Martha - Inspektor Jury 17 - Die Trauer trägt Schwarz

Titel: Grimes, Martha - Inspektor Jury 17 - Die Trauer trägt Schwarz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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»Ach ja, daran kann ich mich noch gut erinnern. The Blue Last. Dort spielten Simon und ich immer furchtbar gern. Du lieber Himmel...« Sie stützte die Stirn in die Hand, als wollte sie gleich anfangen zu weinen, tat es dann aber nicht. »Das ist über fünfzig Jahre her.«
    Wie sie, die Wange leicht gerötet und einen verschämten Ausdruck im Gesicht, eine Haarsträhne in den nachlässig geschlungenen Knoten zurückschob, war es, als kokettierte sie mit der Erinnerung. »Ach, was hatten wir damals für einen Spaß! Simon war etwa zehn, ich zwei Jahre älter und Em -meine Schwester Emily - muss etwa vierzehn, fünfzehn gewesen sein.« Verwirrt zog sie die Augenbrauen zusammen. »Nein, eigentlich war Emily altersmäßig viel näher an Alex als an mir. Ja, sie muss siebzehn oder achtzehn gewesen sein, als Alex starb.« Dann fuhr sie lächelnd fort: »Für uns steckte das Pub immer voller Abenteuer. Auch Alexandra war immer schrecklich gern dort. Das war aber in der Zeit, bevor der Krieg kam und alles zerstörte. Ja, mein Vater Francis hatte das Blue Last - ach, fünfzehn Jahre müssen es gewesen sein. Er brauchte es natürlich nicht zu bewirtschaften. Ich meine, er war finanziell nicht darauf angewiesen. Tynedale Brewery besaß mehrere Pubs.«
    »Und Ihr Vater kam bei dem Bombenangriff ebenfalls ums Leben?«
    »Ja. Unsere Mutter war zwei Jahre davor gestorben. Wenn Oliver nicht gewesen wäre, dann wären wir - hm, Waisen geworden.« Sie lächelte unmerklich, als fände sie den Gedanken, Waisen zu sein, fast amüsant. »The Blue Last. Was waren wir für Spaßvögel, damals vor dem Krieg!« Bei diesen Worten klang ihre Stimme zusehends entspannter. Sie blickte aus dem Fenster, als könnte sie jenseits davon Spaßvögel auffliegen sehen. Sie wirkte plötzlich tieftraurig.
    Jury schämte sich ein wenig dafür, dass er sie für oberflächlich gehalten hatte.
    »Ich mochte dieses Pub wirklich sehr«, fuhr sie fort. »Es war unendlich aufregend. Die Leute, die Gespräche, die lockere Stimmung wie man so sagt. Dass es uns gehörte, war Teil davon, es war ein bisschen wie bei der Küchenmagd, die herausfindet, dass das Schloss ihr gehört.«
    Die Metapher überraschte Jury, sowohl dass sie sie gebraucht hatte, wie dass sie überhaupt zur Sprache gekommen war. Er lächelte. »Küchenmagd. Haben Sie sich zu Hause in dieser Rolle gefühlt?«
    Sie ging nicht direkt darauf ein. »Das Blue Last war doch unser Zuhause. Ich meine, natürlich hatten wir noch ein anderes Haus. Das, in dem Simon wohnt - ich meine, wohnte -« Sie wandte sich ab.
    Jury schwieg.
    Sie sah auf ihre Hände hinunter. »Es hört sich furchtbar an, aber -« Die Röte stieg ihr ins Gesicht. Wieder flüchtete ihr Blick in das Licht vor dem Fenster.
    Er wartete ab, doch sie blieb still, als gäbe es nach den Erinnerungen an das Blue Last nichts mehr zu reden, nicht einmal über den Mord an ihrem Bruder. Es war, als hätte der Verlust des Blue Last ihr alle Kräfte geraubt.
    Wieso war das schwer zu verstehen ? Jeder von uns hat doch so ein Gefühl für einen ganz besonderen Ort, das ihn verfolgt, oder nicht? Einen Ort, dem man die Kraft zuschreibt, einen glücklich zu machen. Ein tief ins Gedächtnis eingeprägtes Bild, das entschwunden war und ein Stück von uns mitgenommen hat. Seltsam, dass wir der Kindheit so viel Wert beimessen, einer Zeit, in der wir verletzlich und schutzlos der Gnade jener ausgeliefert waren, von denen wir hofften, dass sie uns gnädig wären. Und doch schien diese Zeit, diese Kindheit sich über die lauernde Gefahr zu erheben. Sie bleibt uns als das Verführerischste, Ersehnteste, Unanfechtbarste in unserem Leben in Erinnerung.
    »Sie sagten, Sie hätten sich damals alle so gut verstanden.«
    »Was?« Marie-France wandte ihm ihre ausdruckslosen, grauen Augen zu.
    »Sie sagten, Sie und Ihre Geschwister hätten sich damals so gut verstanden.«
    »Ja, das stimmt. Manchmal durften wir auch im Pub übernachten. Im Obergeschoss gab es nämlich eine Wohnung. Alexandra und Ian waren auch mit von der Partie. Alexandra übrigens auch noch, als sie schon verheiratet war. Es schien ihr dort viel besser zu gefallen als im Tynedale Lodge. Ich glaube, ich war eifersüchtig auf sie, weil sie so schön war. Und dann heiratete sie diesen tollen Piloten - kennen Sie den Film
    Waterloo Bridge?«
    »Ja.« Jury lächelte. »Eine der großartigsten Liebesgeschichten der Filmgeschichte.« [Die war's, dachte er, Vivien Leigh - so hat Alexandra ausgesehen und die

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