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Grimes, Martha - Inspektor Jury gerät unter Verdacht

Grimes, Martha - Inspektor Jury gerät unter Verdacht

Titel: Grimes, Martha - Inspektor Jury gerät unter Verdacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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Pfund Sterling und ein paar Dollar heraus.
    Er verlor wieder.
    Um zehn Uhr war der Film immer zu Ende. Der Junge stand auf, stopfte gleichmütig sein Geld in die Tasche - egal, ob er einen mageren Gewinn oder mageren Verlust gemacht hatte -, lächelte Ned Rice zu und ging.
    Heute war der Abend nach dem großen Gewinn auf Fortune’s Son. Als er das Rose and Crown durch die Seitentür verließ, hatte er vierzig Pfund mehr in der Tasche als zu Anfang des Spiels. Er war nicht unzufrieden, auch wenn er den Pot nicht gewonnen hatte. Für den Onkel in Vegas wären sechzig, fünfundsechzig Dollar nicht mehr als ein Taschengeld gewesen. Aber er hatte keinen Onkel in Vegas. Der Junge grinste. Vierzig Pfund waren nicht zu verachten.
    Er schlug den Jackenkragen hoch und ging pfeifend durch die Gasse zwischen Kneipe und Kino. Die Kneipe war überaus günstig gelegen.
    Die Hände in den Taschen vergraben, trainierte er ein bißchen für das nächste Fußballspiel und kickte ein schweres Papierknäuel über die Pflastersteine und den Bürgersteig vor dem Kino.
    Er kickte gegen einen Schuh.
    Der Junge sah in die dicke Brille seines Mathematiklehrers, der ihn mit unerschütterlichem Blick anstarrte, die Arme verschränkt. »So ist das also.«
    »Ach du Scheiße«, murmelte der Junge.
    Als Jury sein Büro betrat und guten Morgen sagte, war Wiggins intensiv mit den Medikamenten beschäftigt, die in Reih und Glied auf seinem Medizinschränkchen beziehungsweise Schreibtisch standen. Er antwortete mit einem abwesenden Nicken, ganz versunken in die Entscheidung, gegen welches Wehwehchen er etwas einnehmen sollte.
    Zu Jury sagte er: »Sie sind ja geradezu herzlich , Sir. Und das schon seit zwei Wochen.« Sein Ton war vorwurfsvoll. »Herzlichkeit« stand eigentlich nicht auf Jurys Dienstplan. Dann sah Wiggins demonstrativ auf die Uhr. »Es ist erst halb acht. Sie sind doch gar kein Morgenmensch, Sir.«
    »Nein?« Jury begann unverzüglich seinen Schreibtisch aufzuräumen, ein weiterer Beweis für eine Charakterbesserung. »Habe ich denn sonst immer schlechte Laune, Wiggins?«
    Wiggins dachte nach. »Nicht direkt. Sie sind nur manchmal etwas melancholisch.« Der Sergeant öffnete die unterste Schublade, in der er seine Sammlung traditioneller Kräuterheilmittel aufbewahrte, ob gegen Schleimbeutelentzündung, Furunkel oder ein gebrochenes Herz. »Ich glaube, Sie schlafen nicht genug.«
    »Das«, sagte Jury und sah seinen Sergeant an, ohne die Miene zu verziehen, »ist die akkurateste Diagnose, die Sie je gestellt haben.«
    Er hatte in der Tat seit Tagen so gut wie überhaupt nicht geschlafen, aber zugleich fühlte er sich so ausgeruht wie Rip Van Winkle.
    Wenn er nach Lewisham kam, was seit zwei Wochen jeden Abend der Fall war, und Jane die Tür aufmachte, fielen sie einander immer so schnell in die Arme, daß er gerade noch mit dem Fuß die Tür zuschlagen konnte. Sie mußten lachen, wenn sie merkten, daß sie ihre Hände nicht voneinander lassen konnten. Sie waren wie Überlebende eines Schiffbruchs, die nun auf das kalte Meer ihres Lebens zurückblicken und sich fragen, wie sie es ans Ufer geschafft haben.
    Und auch wenn er nicht mit ihr zusammen war, empfand er eine Zufriedenheit, die ihn unverletzlich machte. Es war, als habe sie ihm eine unsichtbare Rüstung angelegt.
    Aus Erfahrung wußte er, daß er sich nicht kopfüber in eine Liebesaffäre stürzen sollte. Er sollte Distanz halten, langfristiger denken, überprüfen, ob das Terrain auch wirklich sicher war, und sich wenigstens eine Weile mit ihr auf einer anderen Ebene bewegen. Aber er konnte sich keine andere Ebene vorstellen; er konnte sich nicht vorstellen, daß sie einander vorsichtig umtänzelten und die Risiken abschätzten.
    Das war ihm fast alles schon bei seinem zweiten Besuch in Lewisham durch den Kopf gegangen. Erst als sie sagte, das Abendessen brenne an, lösten sie ihre Umarmung. Zu spät: Das Hühnchen war schwarz, der Salat schlapp und der Weißwein warm.
    Aber als sie einander schließlich losließen, hatten sie sowieso keine Lust zu essen.
    »Weißt du«, sagte Jury im Bett, »jetzt komme ich seit fast zwei Wochen jeden Abend hierher, aber ich könnte dir nicht sagen, wie dein Wohnzimmer aussieht. Ich habe eine ungefähre Vorstellung von der Küche, weil wir da gegessen haben, oder wenigstens glaube ich, daß wir in den letzten beiden Wochen was gegessen haben, aber selbst wenn du mir das Gewehr vor die Brust hieltest, könnte ich dir nur das Schlafzimmer exakt

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