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Grimes, Martha - Mordserfolg

Grimes, Martha - Mordserfolg

Titel: Grimes, Martha - Mordserfolg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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ziemlich verblüffend vorkam. Er dachte an die Frau in seinem Buch, seine Protagonistin. » Und warum –?«
    »Wohin ging sie denn dann? Diese Frage stellte sie sich. Und warum –?«
    Aber das war ja der Schluss: » Und warum –?«
    Während er auf seinem Zimmer beim Waschen war, dachte Clive übers Schreiben nach. Alle Lektoren überkommt es gelegentlich, dieses unheimliche Gefühl, dass man bereits als Ghostwriter für einen Autor fungierte, dass man bereits etwas schrieb, statt etwas zu bearbeiten. Der Gedanke – Ich sollte ein Buch schreiben…: Ob Tom Kidd diesen Drang jemals verspürte, fragte er sich, denn so fühlte es sich an, wie ein Drang und gar nicht so weit entfernt von Besessenheit.
    Nein, Tom Kidd war schlicht und einfach zu glücklich bei dem, was er machte. Hätte er je ein Buch von Dwight Staines zu redigieren gehabt, wäre er beim Thema Schreiben nicht so selbstzufrieden!
    Clive hatte seinen Elektrorasierer ausgeschaltet, um in den Spiegel zu schauen. Er hatte definitiv ein mittelaltes Gesicht vor sich, und zwar nicht frühes Mittelalter. Mittleres Mittelalter war das Beste, was ihm dazu einfiel.
    Plötzlich verspürte er einen stechenden Schmerz in der Magengegend, der sich loslöste und nach oben verlagerte. Er hätte es für einen Herzinfarkt halten können, wusste aber, dass es das nicht war. Vielleicht Luft im Bauch, vielleicht ein Gefühl von Verlorenheit.
    Obwohl sie Solace seit seinem Erscheinen jedes Jahr einmal gelesen hatte, blickte sie nun zum ersten Mal mit fragendem Gesicht von der Seite auf und dachte: Wenn in dem Moment, wo sie hier in der Hotelhalle saß, plötzlich Ned aufgetaucht wäre, wäre sie sicher beherzt genug, das zu tun, was seine Protagonistin Ruthie nicht geschafft hatte. Sie würde ihn fragen: »Ist sie ich?«

 
34
     
    Candy und Karl saßen in der Bar des Hilton, die Ellenbogen auf der Theke, die Hände fest um zwei doppelte Kentucky Bourbon gelegt.
    »So was hab ich ja noch nie erlebt«, sagte Karl. Es war nicht das erste Mal, dass er es sagte. Candy schüttelte bloß immer wieder in stummer Zustimmung den Kopf. »Ich mein«, fuhr Karl fort, »im Laufe unserer wechselvollen – kann man doch sagen – Laufbahn haben wir ja einige bizarre Sachen erlebt, aber nie, dass wildfremde Leute auf der Straße plötzlich nach ihren Knarren greifen.«
    »Vielleicht liegt es an der Gegend, ist vielleicht eine Gegend mit hoher Kriminalitätsrate.«
    »Was? Hat die so ausgesehen? Keine Gitter vor den Fenstern, keine verrammelten Türen.« Karl schüttelte fassungslos den Kopf. »Eine Mutter mit Baby und hat ’ne Knarre dabei? Irgendeine blöde Blondine, die sich grade die Haare hat machen lassen, und hat ’ne 22er in der Handtasche? Und der Irre, der seinen Wagen auf den Gehweg rauffährt? Na, hör mal, gibt’s denn so was? So was sieht man nicht mal in Gegenden mit hoher Kriminalitätsrate. Vielleicht im Kino, aber doch nicht in einer Gegend mit echt hoher Kriminalitätsrate.«
    »Verdammt, und wen wollten die erschießen , K? Etwa sich gegenseitig? Nicht mal ich hätte sagen können, wo der Schuss herkam, woher sollen die es dann wissen?« Vorsichtig fasste Candy an die beiden Heftpflaster auf seiner Wange. Es war zwar bloß eine oberflächliche Wunde gewesen, aber sie fragten sich trotzdem, wen zum Teufel…?
    »Uns?«
    »Was? Uns wollten die erschießen? Wir haben doch gar nichts getan.«
    »Ich sag ja bloß«– Karl hielt sein Glas schräg, um es vollends zu leeren –»mir sah das ganz danach aus, als ob ein oder zwei Waffen in unsere Richtung gezeigt hätten. Dir nicht?«
    »Das kapier ich nicht. Diese ganze Scheißstadt kapier ich nicht.«
    »Na, meine Herrn!«
    Eine ungewohnte Stimme ertönte hinter ihnen, und plötzlich spürte jeder eine Hand auf der Schulter. Sie fuhren herum, wollten schon instinktiv nach ihren Revolvern greifen, hielten sich aber gerade noch rechtzeitig zurück.
    »Arthur!«
    »Mordred!«, sagten Candy und Karl gleichzeitig.
    »Ich werd verrückt! Was treibst du denn hier in Scheißpittsburgh?«, wollte Candy wissen.
    Sie klatschten sich kameradschaftlich zur Begrüßung die Handflächen, und Arthur sagte: »Bin auf Besuch. Noch eine Runde«, sagte er zu dem Barmann, mit dem Finger über die beiden Gläser kreisend. »Und für mich ein Perrier.« An die beiden gewandt, fragte er: »Und ihr? Was führt euch hierher?«
    Karl zuckte die Achseln. »Das Gleiche.«
    »Mann, ey«, sagte Candy, »dich haben wir ja zehn, fuffzehn Jahre nicht

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