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Grimes, Martha - Mordserfolg

Grimes, Martha - Mordserfolg

Titel: Grimes, Martha - Mordserfolg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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Filmaufnahmen für eine Fernsehshow gehalten hatte? Oder vielleicht für einen Kinofilm.
    In den darauf folgenden zehn Minuten waren dann allerdings Polizei, Feuerwehrautos und auch noch die allgegenwärtigen TV-Nachrichtenteams angerückt (als wären sie alle bereits hinter Büschen und in Durchgängen postiert gewesen). Nachrichtenmoderatoren oder Vor-Ort-Reporter wurden von ihrem mobilen Make-up-Team gebürstet und aufgetakelt, bevor die Nachrichtensprecher dann vor die Kameras kamen. Aus Geschäften, Cafés und Buchhandlungen traten Kunden, standen unruhig herum und schauten zu, wie die Polizei nach einer Stelle suchte, an der sie den Tatort abriegeln konnte. Zu ihrem Leidwesen gab es aber keine.
    Während er all dies beobachtete, zog sich Ned auf den Bürgersteig zurück und schleckte weiter sein Eis in der Tüte. Er stand nicht weit von einem Polizisten, der einer Gruppe von Leuten zuhörte, die Stein und Bein schworen, Schüsse gehört zu haben.
    »Wie viele?«
    »Ach, ganz viele«, sagte eine dicke Frau mit grell orangegelb leuchtendem Haar, die aus einem Schönheitssalon gerannt gekommen war.
    Der Beamte schaute skeptisch.
    »Und da weiter drüben«, sagte eine andere Frau, auf die Stelle auf dem Bürgersteig deutend, die sich ihre Fantasie als den Tatort erkoren hatte, »hat eine Frau ein Baby entführt – direkt aus seinem Wägelchen!«
    Die Gruppe schob den Beamten gewissermaßen vorwärts bis zu dem dunkelblauen Kinderwagen. »Sehen Sie, er ist leer! Das Baby wurde gekidnappt!« Sie war den Tränen nahe.
    Ned war mit der entschlossenen Gruppe mitgegangen, von der inzwischen zum Tatort gekürten Stelle (die Polizei rollte bereits ihr gelbes Absperrband aus) bis dahin, wo eine Fernsehcrew sich vor einem Buchantiquariat häuslich niedergelassen hatte. Man merkte, dass Miss Channel 5 fast platzte mit ihrem »exklusiven« Nachrichtenknüller (wie sie es nannte), nämlich dem einzigen konkreten Beweisstück, das bisher gefunden worden war. Die Vor-Ort-Reporterin sah wirklich hübsch aus in ihrem taubenblauen Kostüm. (Wieso sahen eigentlich alle TV-Moderatorinnen aus wie Nicole Kidman?, fragte sich Ned.)
    Sie hatte einen Mann im Schlepptau, offensichtlich den Besitzer oder Geschäftsführer des Buchladens. »Was man gefunden hat, Mr. Stooley wird es bestätigen, ist ein Buch, das von ihm an einen Kunden verkauft und später von einer Kugel durchschossen auf der Straße gefunden wurde!«
    Es war vermutlich das einzige Beweisstück, das die Polizei gern zurückgehalten hätte. Ned hatte genügend Romane von Jamie gelesen, um das zu wissen. Dafür war es jetzt zu spät.
    Der Schauplatz des Desasters – wenngleich ein dokumentiertes Desaster fehlte – verwandelte sich allmählich in eine Nachbarschaftsparty, auf der der Cafébesitzer an jeden, der wollte, Kaffee und Mineralwasser ausschenkte.
    »Ein roter Porsche wurde dabei beobachtet, wie er sich mit hoher Geschwindigkeit vom Tatort entfernte. Es wird darüber spekuliert, ob es sich um eine fehl geschlagene Schießerei aus dem fahrenden Auto handelt oder ob mit dem Porsche das vermisste Kind weggeschafft wurde, dessen Mutter – sie wird als rothaarige Mittdreißigerin beschrieben – sich bisher noch nicht gemeldet hat.«
    Ned schlenderte weiter zu einer anderen Gruppe von Leuten, Schaulustigen, die es kaum erwarten konnten, interviewt zu werden, und behaupteten, sie hätten das eine oder andere mit eigenen Augen gesehen. Hier war eine weitere Nachrichtensprecherin (Nicole in Meergrün mit Rüschenkragen) von einem anderen Sender, Channel 13, wie in Druckbuchstaben auf dem großen weißen Lieferwagen neben ihr zu lesen stand.
    »– Blondine mit dunkler Brille und Trenchcoat, die das Wägelchen offenbar geschubst hat –« An dieser Stelle bedachte sie den leeren Kinderwagen mit einem durchdringenden Blick, bevor sie wieder ihre energisch-flotte Attitüde annahm.
    Ned schlenderte mit seinem Pistazieneis umher und gelangte schließlich zu einem Polizeibeamten, dem er sagte, auch er habe den roten Porsche gesehen, der sich, wie er fand, ziemlich auffällig verhalten habe. »Am Schenley Park fuhr der immer ganz langsam im Kreis herum, wissen Sie, und zwar mehr als einmal.«
    »Den Fahrer haben Sie nicht gesehen?« Der Beamte hatte sein kleines Notizbuch hervorgezogen, um sich Neds Aussage zu notieren.
    »Nein.«
    »Sonst können Sie mir nichts sagen?«
    Ned schüttelte den Kopf. »Nein. Nichts. Sind Sie sicher, dass in dem Wagen ein Baby war?«
    Der Polizist

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