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Grimes, Martha - Mordserfolg

Grimes, Martha - Mordserfolg

Titel: Grimes, Martha - Mordserfolg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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seinem Buch gezogen und dieses dabei durchschossen, das daraufhin eine große Drehung in der Luft vollführte, bevor es landete.
    Candys Stimme war hart an der Grenze zur Hysterie. »Was für ein Scheißkaff ist das hier, wo jeder ’ne Knarre dabeihat?«
    Der rote Porsche kam anscheinend fahrer- und richtungslos auf sie zugeschossen und zwang auf seiner Irrfahrt von der Straße auf den Bürgersteig und wieder auf die Straße jeden, in Hauseingänge zurückzuweichen und sich an Wände zu drücken.
    Die diversen Waffen wanderten wieder in Handtaschen, Halfter, Kinderwägen und Bücher.
    Ned trat mit seiner Eistüte (wieder Pistazie) aus dem Isaly’s. Leckend stand er da und grübelte über den Schluss von Separation nach. Er ging von der Ladenzeile weg die Straße hinunter, als er plötzlich etwas hörte, was wie ein Schuss klang, wandte sich aber erst so spät um (in fünf Sekunden war alles vorbei), dass er nur noch die Nachwirkungen dieses kurzen Durcheinanders mitbekam. Den davonrasenden Porsche sah er aber und glaubte, ihn schon einmal gesehen zu haben. Wer auch immer ihn chauffierte, musste entweder betrunken oder verrückt oder beides sein.
    Dort standen Candy und Karl, und da war auch die Frau, mit der er gestern Abend ein seliges Stündchen verbracht hatte – Rhoda? Rhonda? Sie war gerade dabei, einen Kinderwagen wieder aufzustellen, der anscheinend auf den Gehweg gekippt war. Oh Gott, war da etwa ein Baby zu Tode gekommen?

 
33
     
    Zurück auf seinem Zimmer, packte Ned seine Reisetasche. Er verschob diese Tätigkeit immer nicht gern auf den Morgen, weil er sich dann gehetzt fühlte, obwohl er nur ein Hemd zum Wechseln, Unterhosen, Socken und einen elektrischen Rasierapparat mitgebracht hatte. Zwar packte er nie mehr ein als das, was sich in fünf Minuten wieder einpacken ließ, fühlte sich aber immer unter Druck. Egal, wie sehr es ihm an einem Ort gefiel, ob er ihn gut kannte oder gar nicht, er hatte immer dasselbe Gefühl von Verlorenheit.
    Nachdem er fertig gepackt hatte, setzte er sich auf die Bettkante und dachte über Pittsburgh nach, wobei er wieder die üblichen Zeichen von Unruhe und Beklemmung verspürte. Es war das ungute Gefühl, etwas ungetan, unfertig zurückzulassen, etwas versucht zu haben, ohne es schließlich zu vollenden, und ihm war, als hätte er nicht erreicht, weswegen er eigentlich hergekommen war.
    Vielleicht sollte er noch einen Tag bleiben.
    Solace , hatte Ned geglaubt, würde dabei als Katharsis wirken und ihn von solchen Gefühlen befreien. Hatte es ja getan, solange er daran geschrieben hatte. Es war die Geschichte von einem Mann und einer Frau, die sich allen üblichen Lebensregeln gemäß hätten ineinander verlieben sollen, heiraten und Kinder haben. Doch ständig berührten sie sich und glitten wieder weg, gingen aneinander vorbei und blieben nicht stehen. Ihr Unvermögen, diese Begegnung wertzuschätzen, hielt sie voneinander getrennt, wie ihre Unfähigkeit, sich über die Konventionen zu erheben. Eines Tages war die braune Papiertüte, die sie getragen hatte, gerissen und Büchsen und Schachteln hatten sich über den Boden ergossen. Er war plötzlich da und half ihr, die Lebensmittel wieder aufzuheben. Sie lächelten einander an, sie dankte ihm aufrichtig. Es war eine Situation, bei der der nächste Satz hätte lauten können: »Gehen wir einen Kaffee trinken«, doch er sagte ihn nicht. Sie sagte ihn nicht. Sie erkannten in ihren gegenseitigen Blicken etwas Vertrautes, etwas, was sie verloren hatten, obwohl keiner von beiden es so hätte ausdrücken können, denn sie kreisten beide zu sehr um sich selbst, vielleicht nicht mehr als jeder andere durchschnittliche Mensch auch, aber der ist ja auch viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Sie erkannten die Zeichen und Hinweise nicht. Sie hätten buchstäblich übereinander stolpern können und hätten es immer noch nicht begriffen. Ihr Trost lag im Vergessen.
    Saul fragte sich, ob die Leute in Pittsburgh wohl Erleuchtungen hatten. Pittsburgh, schien ihm, war so ein unwahrscheinlicher Ort dafür.
    Er stand an seinem Schlafzimmerfenster, das auf den Point hinausging. Er sah aufs Wasser, auf den Zusammenfluss von Monongahela und Allegheny, da, wo die beiden zum Ohio River wurden. Der Ohio floss in den Mississippi. Nie endend, immerfort etwas Neues werdend.
    Die Idee, sagte sich Saul, war allerdings kaum ungewöhnlich. Und dann irgendwie aber doch. Sie setzte einen nicht unangenehmen Gedankengang in Bewegung, der ihm

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