Grimm 1: Der eisige Hauch (German Edition)
umsehen. Würde Nick bestimmt nicht in die Quere kommen. Würde niemanden zur Rede stellen … vermutlich.
Er bog nach links auf den Northeast Salem ein und fuhr weiter, bis er zu einem Block kam, an dem die Straßenlaternen nicht funktionierten. Das einzige Licht rührte von einem nicht beschilderten Geschäft mit leerem Schaufenster her sowie dem schwachen gelben Mond, der hin und wieder zwischen den Wolken hervorlugte wie ein kränklicher alter Mann, der durch seine Vorhänge schaute.
Dann fuhr er weiter, bog um die Ecke und rechnete schon damit, Polizeiwagen zu sehen und vielleicht sogar Nick und Hank zu entdecken. Aber da war nichts dergleichen. Vor ihm befanden sich nur ein verlassener Wagen, ein leeres Grundstück, Müll und ein Betrunkener, der seinen Rausch im Eingang eines zugenagelten Geschäfts ausschlief.
Er parkte, schaltete das Licht aus, leckte sich über die Lippen und dachte: „Was ist, wenn Rosalee anruft? Ich müsste sie anlügen oder mich mitten auf der Straße mit ihr streiten, während ich eigentlich nicht weiter auffallen will.“
Also holte er sein Handy heraus und schaltete es aus.
„Na los, tu’s oder lass es sein“, sagte er zu seinem besorgten Spiegelbild im Rückspiegel.
Er stieg aus, schloss den Wagen ab, schob die Hände in die Hosentaschen und ging die Straße entlang.
Einige Blocks weiter vorn sah er ein Neonschild über einer Kneipe leuchten. War das davor etwa das blinkende Licht von Polizeiwagen? Das war durchaus möglich.
Diese Leute machten ihren Job. Sie waren für so etwas ausgebildet worden. Was zum Teufel hoffte er, hier ganz alleine herauszufinden?
Doch ein kurzer Spaziergang konnte doch nicht schaden.
Er ging schnell über den aufgerissenen, von Unkraut überwucherten Gehweg und näherte sich einem Laden. Er befand sich in einem einstöckigen Gebäude, das vor einem dreistöckigen stand. Das hintere Gebäude lag im Dunkeln. Durch das braune Papier, mit dem die Schaufenster des vorderen zugeklebt waren, schimmerte jedoch Licht. Er konnte die verlängerten Silhouetten von Menschen erkennen, deren Schatten auf das Papier geworfen wurden. Was ging da drin vor sich? War das einer dieser „privaten Clubs“, die nur Tarnung für den Treffpunkt einer Gang waren? Oder hatte sich da jemand eingemietet, um einen billigen Schlafplatz zu haben?
Ein riesiger Kerl kam aus dem Gebäude. Er hatte buschiges schwarzes Haar, einen Bart und trug eine abgenutzte Jeans, Stiefel mit Stahlbeschlag und eine ärmellose Jeansjacke. Seine Arme waren mit alten, blauen Gefängnistätowierungen übersät. Er blieb kurz stehen und sah zum Dach hinauf. Der Mann war noch gute dreißig Meter von ihm entfernt, aber Monroe hatte den Eindruck, als würde er mit jemandem da oben reden, mit einer dunklen Gestalt auf dem Dach.
Starr da nicht so hin, Monroe. Geh einfach weiter und bleib wachsam.
Als Monroe seinen Weg fortsetzte, sah er, wie der bärtige Kerl in einen verbeulten, schweren Pick-up der Marke Ford einstieg. So einen Wagen fuhren freie Handwerker, Leute, die Dächer oder Zäune reparierten oder dies zumindest behaupteten, ohne eine Lizenz dafür zu haben. Auf der Ladefläche standen verschlossene Werkzeugkästen aus Metall, außerdem stapelten sich dort Gipsplatten und Farbeimer.
Der Typ stieg auf die Ladefläche, öffnete einen Werkzeugkasten – und richtete sich dann auf, um Monroe finster anzustarren.
Schnell sah Monroe zu Boden und versuchte, unauffällig auszusehen, als er vorbeiging und dem Kerl nicht in die Augen sah.
Doch er konnte den Mann riechen. Offenbar badete er nicht allzu oft. Außerdem war da noch ein ganz besonderer Geruch, den er wiedererkannte …
Es war der Geruch, den der
Blutbader
an Lily Perkins’ Haus hinterlassen hatte.
Monroe wurde langsamer und hätte sich beinahe umgedreht. Er war kurz davor, sich zu verwandeln und den Typen einfach anzuspringen.
Tu es nicht. Sei clever. Hol Nick her
.
Er spürte, dass sich zu seiner Linken auf dem Dach noch jemand befand. Irgendjemand beobachtete ihn. Er fing einen beißenden Geruch aus der Richtung auf. Stank es dort nach … Aas?
Jetzt ging Monroe etwas schneller.
Er hörte jemanden hinter sich reden, aber er wurde nicht verfolgt. Hastig ging er auf das Neonschild und die Polizeilichter dahinter zu. Ein Betrunkener taumelte an ihm vorbei und fragte ihn etwas. Er ignorierte ihn und blieb nicht stehen.
Was war, wenn er es allein mit mehreren dieser
Blutbader
aufnehmen musste? Konnte er das schaffen?
Ihm fiel
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