Grimm 2: Die Schlachtbank (German Edition)
zugenagelt worden, vor den beiden Fenstern im ersten Stock hingen dunkle Stofffetzen.
Glücklicherweise war das Gelände rings um das Haus eben genug, sodass sich Hank auf seinen Krücken fortbewegen konnte. Sergeant Wu und zwei andere uniformierte Beamte, McCormack und Harris, hatten sich dem Haus aus der anderen Richtung genähert, sodass die Vorder- und Hintertür gesichert waren. Wu hielt vorne Wache, während die anderen beiden Männer hinter dem Haus warteten. Hin und wieder konnte man den Verdächtigen durchs Haus laufen sehen, denn sein massiger Körper war durch die Ritzen im Holz gut sichtbar. Selbst wenn sie ihn nicht gesehen hätten, wäre das Knarren der Bodenbretter, die unter seinem Gewicht protestierten, nicht zu überhören gewesen und hätte ihnen verraten, dass das Gebäude bewohnt war.
Nick ging neben Sergeant Wu in Stellung.
„Wir haben einen Verdächtigen“, sagte Wu. „Einen verdammt beeindruckenden.“
„Name?“
„Dieses reizende kleine Häuschen hat kein Klingelschild“, antwortete Wu. „Vom gesetzlichen Standpunkt aus existiert dieses Gebäude gar nicht. Es ist ein nicht genehmigter Eigenbau.“
„Wo sind die Knochen?“
Wu deutete auf eine leichte Vertiefung in etwa drei Metern Entfernung, in der offenbar einige zerbrochene Rippenknochen sowie dem Anschein nach ein menschlicher Oberschenkelknochen lagen.
„Nur die paar Knochen?“
„Reicht das nicht?“, fragte Wu.
„Vielleicht schon“, antwortete Nick, der jedoch seine Zweifel hatte. Er ging hinüber und sah sich die Knochen genauer an. Die Brüche waren zackig, als hätte man sie zerbrochen, und damit nicht annähernd so sauber wie bei dem ersten Opfer. Ein menschlicher Schädel wäre eindeutiger gewesen, aber er konnte keinen erkennen.
„Okay“, meinte Nick dann. „Funken Sie Ihre Männer an. Hank und ich gehen rein.“
Wu aktivierte sein Schulterfunkgerät, um die beiden Beamten zu instruieren. Nick ging währenddessen auf die kleine Veranda zu und legte die Hand auf seine Glock 17. Hank blieb ein Stück weit hinter ihm, damit er sich mit seinen Krücken besser bewegen konnte. Als Nick über die Schulter einen Blick nach hinten warf, kam Wu gerade ein Stück näher und zog seine Waffe aus dem Holster.
Die Bodenbretter auf der Veranda knarrten und sackten unter Nicks Gewicht ein, während er auf die Tür zuging. Bevor er anklopfte, machte er einen Schritt zur Seite und wartete, bis Hank aus der Schusslinie getreten war. Nicks Fantasie lief auf Hochtouren. Es war zu einfach, sich den Riesen vorzustellen, wie er im Haus hinter der wackligen Tür saß, eine Schrotflinte auf sie richtete und nur auf das erste Klopfen wartete, um sie abzufeuern.
Nick sah Hank an, der nickte und die Hand auf seine Waffe legte. Dann holte Nick noch einmal tief Luft und klopfte an die Tür.
„Verschwinden Sie!“, brüllte eine Stimme erschreckend dicht hinter der Tür.
Hatte er die ganze Zeit da gestanden und beobachtet, wie Nick näher gekommen war?
„Hier ist Detective Burkhardt von der Polizei von Portland“, rief Nick. „Wir müssen Ihnen einige Fragen stellen.“
„Ich rede nicht mit der Polizei“, erwiderte eine tiefe Stimme. „Ich rede mit niemandem.“
„Es wird nur ein paar Minuten dauern.“
Schweigen.
„Wir können Sie natürlich auch mit aufs Revier nehmen und Sie dort verhören.“
Die rostigen Türangeln quietschten, als der Verdächtige die Tür aufriss.
Der Mann war gute dreißig Zentimeter größer als Nick. Sein zerzaustes Haar und sein dicker Bart fielen auf ein ausgeblichenes rotes Flanellhemd und Hosenträger, die an einer zerschlissenen und fleckigen Jeans befestigt waren. Eigentlich war er unbewaffnet, aber das hatte nicht viel zu bedeuten. Der Mann sah aus, als könnte er Kompaktwagen problemlos zerquetschen.
Und er war schnell.
„Verschwinden Sie!“, brüllte er und griff Nick mit gesenktem Kopf an, doch da hatte Nick auch schon gesehen, wie er sich in einen
Mordstier
verwandelte, der ihn auf die Hörner nehmen wollte.
Nick riss die Hände hoch, um die gesenkten Hörner zu packen, bevor sie sich in seinen Leib bohren konnten, aber durch die Wucht des Angriffs wurde er mit dem Rücken und dem Hinterkopf gegen einen der Stützpfeiler der Veranda gedrängt. Das Holz splitterte, und Nick war kurzzeitig benommen.
Dann sackte das Dach der Veranda ein, begleitet vom Herausploppen der Nägel, die durch die Luft flogen.
Betäubt ließ sich Nick auf Hände und Knie fallen und schüttelte
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