Grimm 2: Die Schlachtbank (German Edition)
sieht gar nicht gut aus.“
„Das tut mir so leid“, sagte Rosalee, nahm Juliette eine Wasserflasche ab und stellte sie neben ihr Mittagessen. „Kannst du denn gar nichts mehr machen?“
Juliette schüttelte traurig den Kopf. Jetzt, wo das Essen vor ihr stand, hatte sie keinen Appetit mehr.
„Ich habe alle Tests noch einmal gemacht. Dasselbe Ergebnis: Nierenversagen.“
Der ältere Herr näherte sich mit mehreren Gewürzgläsern in der Hand dem Tresen.
„Ich möchte Sie nicht lange stören. Lassen Sie mich das schnell bezahlen, dann bin ich auch schon wieder weg.“
„Haben Sie alles gefunden, was Sie gesucht haben?“, wollte Rosalee wissen, als sie zur Kasse ging.
„Ja, vielen Dank“, erwiderte Cavendish. „Ich experimentiere mit verschiedenen Geschmackskombinationen und habe einige köstliche Resultate erzielt.“
„Freut mich für Sie“, meinte Rosalee. Sie stellte die Gläser in eine Papiertüte und nannte ihm die Summe, die er zu bezahlen hatte.
Während er seine Brieftasche aus der Jackentasche zog, sagte er: „Ich würde Sie gern etwas fragen, Miss …?“
„Calvert“, antwortete Rosalee.
„Ja, Calvert“, wiederholte er und reichte ihr zwei Zwanzigdollarnoten. „Ich hatte gehört, dass dieses Geschäft einem Frederick Calvert gehören würde.“
„Freddy war mein Bruder.“
„Höre ich da die Vergangenheitsform …?“
Rosalee nickte und reichte ihm das Wechselgeld.
„Ja, er … er weilt nicht länger unter uns. „Das tut mir sehr leid, Ms. Calvert.“
„Vielen Dank“, entgegnete sie und reichte ihm die Tüte. „Nach seinem Tod habe ich den Laden geerbt.“
„Ah“, meinte der stämmige Mann und nickte. „Und das ist ein wirklich sehr schöner Laden.“ Nachdem sie sich noch einmal bedankt hatte, beugte er sich vor und flüsterte so leise, dass es Juliette nicht hören konnte: „Es gibt Gerüchte, dass hier gewisse … exotische Dinge verkauft werden.“
Rosalee warf Juliette einen raschen Blick zu, bevor sie antwortete. „Nach Freddys Tod haben wir aufgehört, uns mit diesen … diesen speziellen Dingen zu bevorraten.“
„Sehr schön“, meinte Cavendish. „Ich kann natürlich verstehen, dass Sie nicht in seine Fußstapfen treten wollen. Und ich interessiere mich selbst auch nicht für diese Dinge. Aber bei einigen Gerüchten kommt ein Mann in meinem fortgeschrittenen Alter schon auf gewisse dumme Gedanken.“
„Verstehe“, erwiderte Rosalee, aber ihre Körpersprache war abweisend geworden. „Einen schönen Tag noch, Mr. Cavendish.“
„Vielen Dank“, sagte er und machte sich daran, den Laden zu verlassen. „Und guten Appetit.“
Nachdem sich die Tür hinter ihm geschlossen hatte, fragte Juliette: „Worum ging es da gerade?“
„Freddy hatte ein kleines Nebengeschäft laufen“, erklärte Rosalee. „Er hat … Betäubungsmittel verkauft. Weil er die im Laden hatte, ist er letzten Endes auch ermordet worden.“
„Das tut mir leid.“
„Schon okay“, meinte Rosalee und stocherte mit einer Plastikgabel in ihrem Salat herum. „Ich hatte Mr. Cavendish nicht als jemanden eingeschätzt, der … Aber vielleicht war ihm auch nur ein bisschen nach Klatsch und Tratsch.“ Sie biss von ihrem Wrap ab und trank einen Schluck Wasser. „Du hattest gerade über den Hund gesprochen. Nierenversagen. Hast du die Familie angerufen …?“
„Ja“, antwortete Juliette. „Die ganze Familie kommt später vorbei. Aber ich musste erst mal aus dem Büro raus, sonst hätte ich nicht aufhören können, daran zu denken. Aber die Sache hat sie so sehr mitgenommen, dass ich an nichts anderes mehr denken kann.“
„Du hast alles getan, was du konntest, oder nicht?“
Juliette nickte. „Ich verstehe nur nicht, wieso sie sich zwischenzeitlich erholt hatte. Ich glaube, das stört mich am meisten an der ganzen Sache. Es kommt mir so grausam vor.“
„Das Leben ist nicht immer fair“, bestätigte Rosalee. „Manchmal ist es das genaue Gegenteil.“
„Ich weiß“, murmelte Juliette und biss von ihrem Wrap ab, der ihr jedoch nicht schmecken wollte. „Aber ich habe so ein komisches Gefühl …“ Sie stöhnte. „Ach, ich weiß auch nicht. Ich kann es nicht einmal genau benennen.“
Rosalee schob sich eine Gabel voll Salat in den Mund und deutete dann mit der Gabel auf Juliette. „Vielleicht ist da noch etwas, das du nicht anhand der Laborergebnisse sehen kannst, von dem dein Unterbewusstsein aber weiß, dass es … komisch ist.“
Juliette sah sie erstaunt an.
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