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Grimpow Das Geheimnis der Weisen

Grimpow Das Geheimnis der Weisen

Titel: Grimpow Das Geheimnis der Weisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rafael Abalos
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Bodenklappe bewegte, war ihm sofort klar, dass jemand den Gang mit den Totenschädeln betrat, den er bereits kannte. Alarmiert zog er den Dolch aus dem Hosenbund, voller Angst, es könnten der Inquisitor und seine Schergen sein, die ihn holen wollten. Er hielt den Atem an, während die Schritte auf der Wendeltreppe langsam näher kamen, und seufzte erleichtert, als sich die Bodenklappe hob und darunter die obere Hälfte von Kenos riesigem Körper zum Vorschein kam.
    Anstatt den Raum zu betreten, hielt der Diener inne und starrte Grimpow an wie ein Uhu, der sich im Dunkeln vergewissern will, dass er wirklich das kleine Nagetier vor sich hat, auf das er es abgesehen hat. Dann zog er aus einem Beutel einen Schlauch mit Wasser, einen Kanten Brot, eine Schlackwurst und zwei Äpfel und legte alles auf den Boden. Ohne ein Wort schloss er die Bodenklappe wieder und verschwand genauso langsam, wie er gekommen war.
    Grimpow setzte den ledernen Schlauch gierig an die Lippen und trank, bis sein Durst gestillt war. Dann trug er die Lebensmittel zu dem Tisch hinüber, der ihm als Nachtlager gedient hatte, und verschlang alles bis auf den letzten Bissen, als wären es die köstlichsten Leckereien, die er je gekostet hatte.
    Da in den fensterlosen Raum kein Licht von draußen einfiel, konnte er nicht verfolgen, wie der neue Tag verging, auch wenn er annahm, dass es schon seit geraumer Zeit hell war. Mit einem Kerzenstummel zündete er die Lampen wieder an, die von der Decke baumelten, und vertrieb sich die Zeit damit, die Titel der Handschriften zu studieren, die das Geheimkabinett barg. Er stellte fest, dass er sie alle ohne Schwierigkeiten lesen konnte, obwohl sie in Lateinisch, Griechisch, Hebräisch und Arabisch abgefasst waren. Doch dieses Wunder, das ihm nun bereits vertraut war, brachte ihn nicht mehr zum Staunen. Viele Bücher enthielten nur saubere, zierliche Buchstaben, andere hingegen waren mit wunderschönen Miniaturbildern illuminiert und mit Pflanzenmotiven in kräftigen Farben und reichlich Blattgold verziert.
    Er entdeckte Handschriften über Philosophie, Astronomie und Astrologie, über Anatomie und Medizin, über Heilkräuter, Gifte und Arzneitränke, über Magie, Zauberformeln und Hexerei, über wilde Tiere, Ungeheuer, Dämonen, Fabelwesen und ferne, exotische Länder, über Geometrie, Arithmetik und Mineralogie, über Physik und Alchimie. Grimpow war fasziniert davon, diese Schätze der Weisheit, die ebenso geheimnisvoll wie alt waren, anfassen und lesen zu können. Die meisten von ihnen waren nämlich vor Hunderten von Jahren verfasst worden und stammten aus den unterschiedlichsten Orten der bekannten Welt.
    Er war gerade in die Betrachtung einer Tafel vertieft, auf der die kreisförmigen Bahnen der Himmelskörper dargestellt waren und die vor fast tausend Jahren von einem Weisen namens Lafare Alabos gezeichnet worden war, als er hinter den Bücherregalen ein Geräusch hörte. Gleich darauf glitt dasselbe Regal zur Seite, das Bruder Rinaldo in der Nacht in Bewegung versetzt hatte. Als Grimpow den alten Mönch hereinkommen sah, klappte er die Handschrift zu und platzte sofort mit der Frage nach Durlib heraus.
    »Dein Freund ist gerissener als ein Fuchs in der Falle«, erwiderte Bruder Rinaldo mit einem Lächeln und verschloss das offene Regal hinter sich.
    »Ist er entkommen?« Grimpow konnte die Antwort kaum erwarten.
    »Noch nicht, aber ich bin sicher, es wird ihm bald gelingen. Als die Soldaten des Königs ihn heute Nacht in den Stallungen der Abtei festgenommen haben, während er sich mit dem Kellermeister unterhielt, hat er sich ungemein gefügig und dienstfertig gezeigt. Selbst Burumar de Gostelle hat daraufhin geglaubt, den idealen Verbündeten in ihm gefunden zu haben, um den gesuchten Tempelritter festzunehmen. Schließlich ahnt er nicht einmal, dass der Mann längst tot ist.«
    »Dann haben sie ihn also nicht misshandelt?«, wollte Grimpow wissen und machte seiner Erleichterung mit einem Seufzer Luft.
    »Vorläufig hat er sich der Folter geschickt entzogen. Durlib hat dem Dominikanermönch erklärt, er hätte gestern Vormittag in der Nähe der Hütte in der Tat einen Edelmann ohne Pferd getroffen, der sich offenbar im Nebel in den Bergen verirrt hatte. Er beschrieb das Aussehen und die Kleidung des Unbekannten und erzählte, er habe sich mit dem Mann über den Grund seiner Reise unterhalten. Dieser habe ihm erklärt, er müsse in einer dringenden Angelegenheit, die keinen Aufschub dulde, nach Norden.

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