Grimpow Das Geheimnis der Weisen
Durlib versicherte dem Inquisitor von Lyon, er habe dem Reisenden von der nahe gelegenen Abtei Brinkum erzählt und ihm vorgeschlagen, sich dort ein Reittier und Proviant für die lange Reise zu besorgen. Daraufhin habe dieser erwidert, er sei müde und habe sich beim Sturz vom Pferd eine Rippe gebrochen. Deshalb habe er ihm, Durlib, einige Silbermünzen in die Hand gedrückt und ihn gebeten, zur Abtei zu laufen und zwei Pferde zu erwerben, damit er seine Reise fortsetzen könne. Darüber hinaus habe er ihm angeboten, dass er ihn, wenn er das wünsche, nach seiner Rückkehr aus der Abtei als Diener begleiten könne.«
»Dann hat Durlib dem Inquisitor also eingeredet, dass der Tempelritter noch lebt!«, rief Grimpow aus.
»Er hat Burumar de Gostelle hoch und heilig versichert, er würde den Edelmann, hinter dem er her ist, in seiner Hütte auf dem Strohsack finden, wo er auf die Pferde und den Proviant warte. Durlib erbot sich sogar, den Dominikanermönch und die Soldaten des Königs in die Berge zu führen, und beteuerte, es gebe keinen Winkel in der Gegend, den er nicht kenne, falls der geächtete Edelmann sich versteckt habe. Verführt von der Aussicht, den flüchtigen Templer gefangen zu nehmen wie ein in die Falle getapptes Tier, befahl der Inquisitor Durlib, die Nacht bei den Soldaten im Schlafsaal für edle Gäste zu verbringen. Gleich heute Morgen wollten sie in die Berge aufbrechen, um unverzüglich und erbarmungslos Jagd auf ihre wertvolle Beute zu machen.«
»Sind sie denn schon fort?«
»Ja, ich habe sie mit eigenen Augen von den Pferdestallungen aus aufbrechen sehen. Durlib hat das Gefolge mit dem Hochmut eines Heißsporns angeführt«, antwortete er lächelnd.
»Dann hängt er sie ganz gewiss in irgendeiner Wegbiegung ab«, versicherte Grimpow. Er war überzeugt von Durlibs Geschick, den Soldaten auf einem verschneiten, unwirtlichen Gelände, das er in- und auswendig kannte, zu entkommen.
»Burumar de Gostelle war vielleicht einfältig genug, die Geschichte zu glauben, die dein Freund ihm aufgetischt hat. Aber er ist gewiss nicht so leichtsinnig, Durlib entkommen zu lassen, sobald sie unterwegs sind. Deshalb hat er ihm die Hände mit Lederriemen auf den Rücken gebunden.«
»Habt Ihr ihn gesehen?«
»Ja, das habe ich. Dein Freund hat trotz der Fesseln zufrieden vor sich hin gepfiffen, als wäre er zum Hochzeitsbankett eines Monarchen unterwegs, um die Brautgabe zu überbringen.«
Zu wissen, dass Durlib in die Berge ritt, beruhigte Grimpow, denn zweifellos würde er die erstbeste Gelegenheit zur Flucht nutzen und in die Abtei zurückkehren, um ihn zu holen. Aber er machte sich auch Gedanken darüber, was Burumar de Gostelle wohl über ihn selbst wusste - falls er überhaupt etwas wusste.
»Glaubt Ihr, der Dominikanermönch ist auch hinter mir her?«
»Er weiß nicht einmal, dass du hier bist. Der Abt wollte dich nicht in die Sache mit den Silbermünzen des Tempelritters hineinziehen. Auch dein Freund hat dem Mönch nichts über deine Anwesenheit in der Abtei verraten«, erklärte Bruder Rinaldo.
»Muss ich denn dann noch lange hier eingesperrt bleiben?«, fragte Grimpow und blickte sich um. Damit brachte er indirekt seinen Wunsch zum Ausdruck, den fensterlosen Raum so bald wie möglich wieder zu verlassen und sich von der Platzangst zu befreien, die ihn dort befiel.
»Zumindest bis Burumar de Gostelle und die Soldaten des Königs abgereist sind. Vor Mittag schicke ich Keno mit einem Strohsack und ein paar Wolldecken her, damit sich dein Aufenthalt hier so angenehm wie möglich gestaltet.«
»Ist der scheue Diener überhaupt vertrauenswürdig?«, fragte Grimpow argwöhnisch. Der Riese war ihm irgendwie unheimlich.
»Der arme Teufel würde sein Leben für mich geben, ohne dass ich ihn darum bitten müsste. Der Abt hat ihn als Halbwüchsigen halb tot auf einem verlassenen Friedhof gefunden und ihn in die Abtei gebracht, um ihn von seiner Fallsucht zu heilen. Seither lebt er als persönlicher Diener des Abtes bei uns.«
»Was passiert, wenn der Dominikaner herausfindet, dass Durlib ihn zum Besten gehalten hat?«, forschte Grimpow und kehrte damit zu dem Thema zurück, das ihn am meisten interessierte.
»Wenn Durlib dann noch in seiner Gewalt ist, wird er ihm die Haut in Streifen abziehen, ihn dann vierteilen und den Schweinen zum Fraß vorwerfen. Ich hoffe, er kann fliehen, bevor er dem Inquisitor erzählen muss, was tatsächlich geschehen ist. Wenn er ihm von dem Tod des Tempelritters und
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