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Grimpow Das Geheimnis der Weisen

Grimpow Das Geheimnis der Weisen

Titel: Grimpow Das Geheimnis der Weisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rafael Abalos
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geschrieben war.
    »Und die Stadtmauer wurde aus Jaspis, die Stadt selbst aus purem Gold erbaut und glich reinem Glas. Jede Lage der Stadtmauer wurde mit allen möglichen Edelsteinen verziert...«, begann Grimpow zu lesen, als wäre Latein die Sprache seiner Eltern gewesen und er hätte sie von Geburt an gelernt.
    »Das reicht, das reicht«, murmelte der alte Mönch und schnitt vor Verwunderung eine Grimasse, während in seinen Augen leuchtende Funken aufblitzten.
    »Durlib ist davon überzeugt, dass alles, was uns zugestoßen ist, seit wir den Leichnam gefunden haben, das Werk des Teufels ist«, bemerkte Grimpow.
    »Sonderbar und unerhört sind die Dinge, die du erzählst, ganz zweifellos. Wenn ich nicht mit eigenen Augen gesehen hätte, wie du den lateinischen Text übersetzt hast, wo du doch gar nicht lesen kannst und auch diese alte Sprache nicht beherrschst, würde ich denken, dass es sich nur um die Lügenmärchen einfältiger Komödianten und Puppenspieler handelt. Aber es steht fest, dass mit dir etwas Unerklärliches geschehen ist - ob nun ein Wunder oder Zauberei. Viele haben die Tempelritter als Magier und Zauberer bezeichnet und behauptet, bei der Anhäufung ihres Reichtums sei es nicht mit rechten Dingen zugegangen. Aber nach allem, was du mir erzählt hast und was ich selbst gesehen habe, bin ich davon überzeugt, dass hinter ihrem Geheimnis etwas weit Ungewöhnlicheres und Rätselhafteres steckt als eine schlichte Zauberformel.«
    Grimpow hätte Bruder Rinaldo nur von dem Amulett des toten Edelmannes zu erzählen brauchen, damit der Mönch seine Vermutung bestätigen konnte, dass der ungewöhnliche Stein dieses Wunder zuwege brachte. Aber da ertönten die Turmglocken der Abtei und riefen zur Matutin.
    »Ich muss jetzt gehen, damit mich weder der Abt noch der Inquisitor vermisst, wenn mein Platz im Chor während des Stundengebets leer bliebe«, erklärte der alte Mönch und erhob sich.
    Grimpow beobachtete, wie er sich erst an einem Brett in der Nähe zu schaffen machte, dann an einem anderen, bis eines der vollgepackten Regale plötzlich zur Seite glitt und eine stockfinstere Öffnung freigab.
    »Kommt Ihr bald wieder?«, fragte Grimpow, als der alte Mönch sich anschickte, den Raum zu betreten, den der Junge für einen der Säle der offiziellen Bibliothek hielt.
    »Ich sehe dich nach der Prim wieder, sobald es hell wird. Dann versuche ich, dir etwas zu essen und Nachricht von deinem Freund Durlib zu bringen«, antwortete Bruder Rinaldo. Er war unter dem Türsturz, den die obersten Regalbretter bildeten, stehen geblieben.
    »Vergesst die Öllampe nicht«, erinnerte ihn Grimpow, bevor er davonging.
    Aber der alte Mönch drehte sich einfach um und verließ das geheime Kabinett. »Meine Augen sind daran gewöhnt, im Dunkeln zu sehen.«
    Seine zerbrechliche, vom Alter leicht gebeugte Gestalt verlor sich in der Dunkelheit. Kurz darauf schloss sich das offene Regal mit einem dumpfen Geräusch wieder und ließ Grimpow in völliger Einsamkeit zurück.

Die Quadratur des Kreises

    A ls Grimpow am nächsten Tag erwachte, wünschte er sich nichts sehnlicher als Nachricht von Durlib. Er hatte fast die ganze Nacht kein Auge zugetan, sondern auf dem unbequemen, notdürftigen Lager, das er sich auf dem Tisch bereitet hatte, vor Kälte gezittert. Die Hängelampen hatte er gelöscht und nur in einer Ecke das winzige Licht der Öllampe brennen lassen. Ständig ging ihm im Kopf herum, was Bruder Rinaldo ihm über die Tempelritter und ihr Geheimnis erzählt hatte.
    Er befürchtete, dass sie auch Durlib entsetzlich folterten, um alles aus ihm herauszupressen, was er über den erfrorenen Edelmann wusste. So viel war klar: Wenn Burumar de Gostelle das Pferd des Templers unten im Tal gefunden und die Münzen gesehen hatte, die Durlib dem Abt überreicht hatte, dann hegte er sicher nicht den geringsten Zweifel, dass sie dem flüchtigen Templer begegnet waren und etwas über ihn und seinen Verbleib berichten konnten. Völlig unklar war dem Jungen jedoch, ob der Dominikaner auch von seiner Anwesenheit in der Abtei wusste. Offenbar hatte der Abt dem Mönch nur von Durlib erzählt, um Grimpow vor den entsetzlichen Klauen des Inquisitors von Lyon zu schützen.
    Einige Stunden später, lange nachdem die Turmglocken die Mönche zum ersten Gebet des Tages gerufen hatten, tat sich endlich etwas. Aber zu seiner Überraschung besuchte ihn nicht wie versprochen Bruder Rinaldo. Als er das Geräusch der Felswand hörte, die sich hinter der

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