Grimpow Das Geheimnis der Weisen
des Steinkreises Zuflucht gesucht haben.«
»In den Burgen des Steinkreises, zu denen der tote Edelmann unterwegs war.«
»Der tote Edelmann, der vor Burumar de Gostelle geflohen ist und ein goldenes Petschaft, einen geheimnisvollen Stein und einen Brief bei sich getragen hat.«
»Einen Brief, der eine Botschaft enthält.«
»Eine Botschaft, in der von Aidor Bilbicum und der Stadt Straßburg die Rede ist.«
»Der Stadt Straßburg, zu der wir uns aufmachen werden, nachdem wir am Turnier teilgenommen haben.«
»Am Turnier, das Fenio de Vokko einberufen hat, damit der französische König dort seinen neuen Kreuzzug ankündigen kann.«
»Einen Kreuzzug, in dem das Geheimnis der Weisen gelüftet werden soll«, erklärte Salietti.
»Das Geheimnis der Weisen, das mit unserem Stein zu tun hat und dem wir ebenfalls auf der Spur sind und das natürlich in den neun Burgen des Kreises verwahrt wird.«
»Des Kreises, den wir mit dieser verbalen Spielerei gerade geschlossen haben, weil darin deutlich geworden ist, wie wenig wir wissen und wie viel wir noch in Erfahrung bringen müssen«, sagte Grimpow zum Abschluss.
Daraufhin begannen beide zu lachen, wie sie schon lange nicht mehr gelacht hatten.
Die Ebene von Ullense war mit ausgedehnten Weinbergen und Weizenfeldern überzogen, und am Ufer eines breiten Flusses, der sich zwischen dichten Pappeln wand, reihten sich kleine Dörfer aneinander. Rechts und links erhoben sich sanfte Hügel mit Burgen aus rötlichem Stein am Horizont, die aus der Ferne wie träge, verschlafene Wächter über die Wege wirkten.
Wie in jedem Jahr würden viele Herren aus der Gemarkung Uliense an den Wettkämpfen teilnehmen. Manche waren bereits mit ihren Zelten, Waffen und Standarten in Begleitung ihrer Damen, Schildknappen und Diener zu Fenio de Vokkos Festung aufgebrochen. Grimpows und Saliettis Gepäck hingegen war knapp bemessen und ihr Geleit bildete lediglich der Maulesel, der mit der Rüstung, dem Schild, der Standarte sowie der mit dem Wappen des Herzogs von Estaglia bestickten Schabracke für das Pferd beladen war.
Sie machten halt, als sie an einer Kreuzung ankamen, von der aus Wege in alle vier Himmelsrichtungen führten und in deren Mitte eine Kapelle ohne Wächter und Türen stand, die Reisenden und Pilgern als Ort der Einkehr diente. Es war ein winziges, längliches Gebäude mit einem Vordach, das auf zwei runden Säulen ruhte, daneben ein Brunnen und eine Pferdetränke. Der alte Einsiedler, der die Kapelle hütete, saß auf einer Steinbank in der Sonne und hielt in der Linken einen langen, am oberen Ende gebogenen Stock, während seine rechte Hand vom Handgelenk an fehlte.
Als der alte Mann die beiden Reiter sah, lächelte er sie an, und dabei kam der einzige Zahn zum Vorschein, den er noch besaß. Er trug einen langen, zerlumpten Kittel, den er in der Taille mit einem Seil zusammenhielt, ging barfuß und schien eher wahnsinnig als bei Verstand zu sein.
»Flieht, flieht, solange Ihr noch könnt, um Gottes Zorn zu entgehen, ihr verfluchten Söhne des Teufels! Oder kriecht in dieser heiligen Kapelle vor dem Märtyrer zu Kreuze und fleht den Herrn in seiner göttlichen Gnade um Vergebung Eurer Sünden an!«, schrie er.
Unterdessen steuerten Grimpow und Salietti auf die Tränke zu, damit die Tiere ihren Durst löschen konnten.
Der alte Einsiedler stand auf, starrte sie herausfordernd an, reckte den Stock gen Himmel und setzte seine Litanei lauthals fort: »Die Trompeten des jüngsten Gerichts erschallen am Himmel, und auf der Erde kriechen die Würmer unter die Gräber, um dem Licht zu entkommen, das alles sieht! Das ewige Feuer ist so weit, Eure Seelen zu holen! In der Hölle werdet Ihr schmoren! Verräter am Glauben! Sklaven der Unzucht! Diener der Völlerei und der Habsucht! Hört die Verkündigung des Endes! Die Sense des Todes wird Eure Überheblichkeit in den Schlamm ziehen und Eure Köpfe werden ohne Erbarmen von den Hufen Eurer Pferde zermalmt werden! Nichts werden Euch Eure Lanzen und Schwerter nützen! Die Prophezeiungen werden in Erfüllung gehen! Zeigt Reue und betet mit mir!«, schloss er, warf sich in gespielter Ekstase vor ihnen auf die Knie und fing an, ein unverständliches Gebet zu murmeln.
Salietti musterte den alten Einsiedler mitleidig und flüsterte Grimpow zu: »Er führt nur sein Theater als falscher Prophet auf, um sich ein ordentliches Almosen zu verdienen.«
Beim Anblick des verwirrten alten Mannes musste Grimpow an seine Zeit mit Durlib denken. Ihm
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