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Grimwood, Ken - Replay

Grimwood, Ken - Replay

Titel: Grimwood, Ken - Replay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das zweite Spiel
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Rockwood, Tennessee getraut, eine Woche nachdem Jeff der Magister der Betriebswirtschaftslehre verliehen worden war. Genau vier Tage vor diesem Datum hatte er in jenen anderen Leben Linda getroffen – zweimal, mit so drastisch verschiedenen Ausgängen. Rockwood war Judys Heimatstadt, und der Empfang, den ihre Eltern anschließend gaben, war ein großes, ungezwungenes Barbecue an ihrem Sommerhaus am nahegelegenen Watts Bar Lake. Jeff fiel auf, daß der Husten seines Vaters allmählich schlimmer wurde, doch noch immer wollte er nicht auf die inständigen Bitten seines Sohnes hören, mit dem Kettenrauchen der Pall Malls aufzuhören. Er würde es solange nicht aufgeben, bis in einigen Jahren das Emphysem festgestellt werden würde. Jeffs Mutter war glücklicher, als sie es bei seinen Hochzeiten mit Linda und Diane gewesen war, wenngleich sie sich natürlich an keinen von beiden Anlässen erinnerte. Seine Schwester, eine schüchterne Fünfzehnjährige mit Zahnspangen, hatte sofort für Judy Feuer gefangen.
    Die Familie der Gordons hatte Jeff ebenfalls aus ganzem Herzen in ihrem Kreis willkommen geheißen. Er hatte sich in das perfekte Ebenbild einer guten Partie verwandelt: dreiundzwanzig, eine gute Ausbildung, fleißig, verantwortungsbewußt. Schon mit einem netten kleinen Notgroschen auf der hohen Kante und einem konservativen, doch stetig wachsenden Portefeuille an Aktien, das auf seinen und Judys Namen lautete.
    Es war nicht leicht gewesen. Die fünf Jahre Schule waren ziemlich hart, zwangen sie ihn doch unter das längst abgeschüttelte Joch des Lernens, der Semesterarbeiten und Prüfungen zurück; doch die schwierigste Aufgabe war gewesen, es fertigzubringen, nicht reich zu werden. Das letztemal war er in diesem Alter ein Finanzgenie gewesen, der Haupteigner eines mächtigen Mischkonzerns. So plötzlich mit Reichtum überschüttet zu werden, hätte Judy aus dem Gleichgewicht geworfen und zwischen ihnen ernsthafte Probleme geschaffen. Deshalb hatte er beim Belmont-Rennen und der Baseballmeisterschaft ganz auf das Wetten verzichtet und sorgfältig die vielen Spitzengewinne abwerfenden Investitionen vermieden, mit denen er leicht ein weiteres Multimillionenvermögen hätte machen können.
    Er und Frank Maddock hatten sich diesmal bald nach dem Kentucky Derby einander entfremdet. Sein unwissender ehemaliger Partner beim Höhenflug der Firma hatte die Rechtsakademie von Columbia beendet und war jetzt Anwaltspraktikant bei einer Firma in Pittsburgh.
    Jeff und Judy erwarben ein gepfändetes nettes kleines Haus im Kolonialstil an der Cheshire Bridge Road in Atlanta, und Jeff mietete sich ein Vierzimmerbüro in einem Gebäude nahe Five Points, das ihm einmal gehört hatte. An fünf Tagen die Woche zog er Anzug und Krawatte an, fuhr ins Stadtzentrum, wünschte seiner Sekretärin und den Angestellten einen guten Morgen, schloß sich im Büro ein und las. Sophokles, Shakespeare, Proust, Faulkner… all die Werke, die er hatte schmökern wollen, die zu lesen er jedoch nie die Zeit gehabt hatte.
    Gegen Ende des Tages warf er ein paar Notizen für seine Partner aufs Papier, empfahl ihnen etwa, nicht das Risiko einzugehen, in ein so unbeschriebenes Blatt wie Sony zu investieren, sondern ihr allmählich wachsendes Kapital in etwas Sicherem anzulegen, zum Beispiel AT&T. Jeff steuerte die kleine Gesellschaft behutsam an allen Quellen plötzlichen Reichtums vorbei, sorgte dafür, daß er und seine Mitgesellschafter komfortabel, doch auf unspektakuläre Weise in der oberen Mittelschicht verwurzelt blieben. Seine Partner folgten regelmäßig seinem Rat; wenn sie es nicht taten, tendierten die Verluste dazu, die Gewinne aufzuwiegen, also lief es auf den von Jeff beabsichtigten Nettoeffekt hinaus.
    Abends machten er und Judy es sich zu Hause gemütlich und schauten sich ›Laugh-In‹ oder ›The Name of the Game‹ an, dann spielten sie vielleicht eine Partie Scrabble, ehe sie sich schlafen legten. An warmen Wochenenden segelten sie auf dem Lake Larnier oder spielten Tennis und wanderten die Naturlehrpfade von Callaway Gardens entlang.
    Das Leben verlief ruhig, geordnet, wunderbar normal. Jeff fühlte sich vollkommen zufrieden. Nicht überschwenglich – es fehlte jenes Gefühl von absoluter Verzückung, das er empfunden hatte, während er seine Tochter Gretchen auf dem Landsitz in Dutchess County hatte heranwachsen sehen – doch er war glücklich und mit sich im Einklang. Zum erstenmal war sein langes, chaotisches Leben von äußerster

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