Grippe
ausgehändigt und den Rest behalten, falls es hart auf hart kommen sollte, war indes nicht zu entkräften gewesen. Pats Fund bestätigte dies natürlich.
»Dass sie wie … Plastik aussehen, hätte ich nicht erwartet. Richten sie wirklich etwas gegen diese Dinger aus?«, fragte sie unschuldig.
Pat hob eins der Gewehre aus dem Koffer und examinierte es mit kritischem Blick. Dann fuhr er mit der Hand über den Lauf und tätschelte es wie einen Säugling, an dem er einen Narren gefressen hatte.
»Finden wir es heraus«, antwortete er, diesmal jedoch ohne Humor.
Karen hatte noch nie eine Waffe in die Hand genommen, also auch nicht abgefeuert. Das konnte Pat von sich selbst demnach nicht sagen. In der alten Welt wäre jemand wie Karen noch besorgt darum gewesen, doch jetzt stimmte es sie auf eigentümliche Weise zuversichtlich. Während sie die quälend lange Treppe von oben ins Erdgeschoss hinabstiegen, freute sie sich über den Fakt, dass bereits ein Perspektivenwechsel Veränderungen erwirkte.
Pat sah nicht die Bohne bedrohlich aus. In Karens Augen ähnelte er durchaus einigen aus dem Männervolk ihrer Kirche – grantig, aber ehrlich. Auf anheimelnde Weise spießig, ritterlich und garantiert nicht stylisch. Okay, vielleicht schleppten die Männer in der Kirche Bibeln mit sich herum und keine Gewehre, doch sie glaubte, dass Pat deren engstirnige Sichtweise teilte, die wiederum komischerweise loyale, vertrauenswürdige Seelen aus ihnen machte. Man wusste, was man von einem solchen Schlag Mensch zu erwarten hatte, und das hatte durchaus etwas für sich, wie Karen fand. Ob Pat wohl gläubig war? Über Gott oder Religion allgemein hatten sie sich nicht unterhalten, nur über die Toten.
Schon hörte sie sie wieder, die kürzlich Eingesperrten, die sich der wuchernden, schnüffelnden Mehrheit gern angeschlossen hätten, wenn sie aus ihren Wohnungen herausgekommen wären. Ein unheimlicher Gedanke, sie auf ewig dort drin zu wissen; obwohl der ganze Block versiegelt und es dort somit ungefährlich war, weilten die Toten unter Karen und Pat. Sie boten einen Vorgeschmack auf das, was ihnen außerhalb blühte, quasi als Gratisprobe wie in vielen Zeitschriften, als es noch eine Presse gab.
Der Lärm vor dem Haus nahm zu, je weiter sie sich dem Eingang näherten. Offenbar hatte Pats letzte Spritztour die Toten zu diesem Wohnsilo gelockt. Am Fuß der Treppe erkannte sie durch die dicken Scheiben in der massiven Holztür, dass gerade eine überschaubare Traube auf dem Parkplatz zusammenkam. Karens Herz hämmerte. Sie hatte große Angst vor diesen Dingern.
Pat hielt kurz inne, um sich zu fassen. Dass er die Treppe heute gleich zweimal hatte nehmen müssen, war ihm sichtlich an die Substanz gegangen. Er holte tief Luft und prüfte noch einmal sein Gewehr.
»Pass auf!«, zischte Karen und warf ihm einen missbilligenden Blick zu.
»Die hören dich nicht«, erwiderte er. »Sie haben die Grippe, siehst du doch. Ihre Köpfe dürften bis unter die Schädeldecke verschleimt sein. Daher auch diese Laute: Sie räuspern sich, und eigentlich bin ich mir nicht einmal sicher, ob sie dich überhaupt sehen.«
»Woher weißt du das alles?«, fragte sie.
»Ich weiß es nicht wirklich«, antwortete er und entsicherte die Waffe. »Ist bloß eine Theorie.«
»Trotzdem finde ich, wir sollten vorsichtig sein.« Karen war beleidigt; sie hasste es, wenn man sie bevormundete.
Pat schien ihre Befindlichkeit gleichgültig zu sein, oder er verhielt sich bewusst wenig einfühlsam. In keinem Fall behandelte er sie jedoch wie ein rohes Ei. Dabei war sie so aufgekratzt; sie brauchte Rückhalt und wollte gehätschelt werden. Er hingegen schien alles mit einem Grinsen abtun zu wollen, statt sich durch irgendetwas aus der Ruhe bringen zu lassen. Vermutlich hatte er gerade deshalb so lange überlebt.
»Also gut«, sprach er, als er gewappnet war. »Bei drei schließt du auf und öffnest die Tür weit genug, um einen hereinzulassen. Dann machst du sie sofort wieder fest zu.«
»Was ist, wenn er mich angreift?«, fragte sie und packte alle Sorgen in ihre Miene.
» Wird er nicht«, versicherte Pat und kontrollierte das Schießeisen noch einmal. Er schien wirklich vernarrt zu sein.
» Warum bist du dir da so sicher?«, hakte sie nach. »Noch eine deiner Theorien?«
Natürlich ging er nicht auf diese Spitze ein. Das rangierte unter seinem Niveau.
»Nein«, antwortete er kurz und bündig. »Glaub mir einfach.«
»Und wenn sie das Haus stürmen?«
»Dazu
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