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Grippe

Grippe

Titel: Grippe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wayne Simmons.original
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ausgehend oder den Revolutionären. Auf lange Sicht hin spielte es keine Rolle, und schon gar nicht jetzt!
    Oder nein, eigentlich doch. In einer vom Tode geprägten, von ihm überrannten Welt spielte es eine umso gewichtigere Rolle. Tod gebar Tod, und Pat fühlte sich mehr denn je wie auf der Streckbank. Er war keineswegs ein schlechter Mensch. Das hatte ihm Vater Maguire gesagt, als er eines kalten Abends aus den düsteren, verregneten Straßen von West Belfast zu ihm in die Kirche gekommen war. Es macht dich nicht zu einem schlechten Menschen, hatte er behauptet. Pats Antwort? Erzähl das den Witwen und Kindern derer, die ich umgebracht habe, Vater. Brüder und Schwestern, Mütter und Väter – sie alle beugten sich über das Grab, schluckten abgründige Emotionen und bittere Tränen hinunter. Erzählen konnte man es auch den Geistern der lebhafteren Ziele, die er in fünfundzwanzig Jahren aktiver Dienstzeit beseitigt hatte, denn mit ihnen führte Pat Flynn nachts Zwiegespräche, die ihn vom Schlaf abhielten.
    Was diese Dinger draußen anging, diese armen Teufel, denen blutiger Brei aus allen Ritzen tropfte – was fühlten sie, falls überhaupt? Waren sie Menschen? Unmöglich, denn sie lebten nicht mehr, soweit er wusste. Waren sie Geister? Wie hätte Vater Maguire sie genannt? Sicher, als Pat den guten Pastor zum letzten Mal gesehen hatte, war er nicht sonderlich auskunftsfreudig gewesen. In Wirklichkeit hatte er mehr oder weniger so ausgesehen wie die anderen dort. Mit einem Geistlichen hatte Pat jedoch das, was er nun vorhatte, nicht tun können. Oh nein, das hätte ihm den Stammplatz in der Hölle ein für alle Male gesichert.
    Den ersten Schleimbeutel, der durch die Tür kam, würde er allerdings umnieten. Das musste er, weil ihm klar war, dass sich das Ding andernfalls mit großer Wahrscheinlichkeit umdrehen und der jungen Frau vor ihm weiß Gott was antun würde. Der jungen Frau, die sich zitternd am Türknauf festhielt – ihretwegen würde er schießen, um sie zu beschützen und Abbitte zu leisten für das Übel, das er in all den Jahren für die gemeinsame Sache verursacht hatte. Diese Dinge schienen nichts mehr zu bedeuten, weder auf dem Papier noch geschichtlich, aber denjenigen, die noch lebten, fühlten und mit dem Verlust fertig werden mussten, dafür umso mehr – auch und gerade wenn sie das hier durchstanden.
    Pat war also kein schlechter Mensch, aber ein entschlossener. Als einer der wandelnden Leichname, an dessen feinstem Sonntagsanzug Blut und andere Körpersäfte wie nasses Konfetti klebten, durch die geöffnete Tür schlurfte, zögerte Pat nicht. Er legte das A-18 an, richtete den schwarz glänzenden Lauf aus und betätigte den Abzug. So schoss er ein beachtliches Loch in die Brust, dass Knochen und diverse Organe gegen die nächste Wand klatschten.
    Die schiere Wucht des Treffers stieß die Leiche ein gutes Stück zurück. Vor der Holztür mit den Glasfenstern, durch die sie gerade erst gekommen war, brach sie wie ein Betrunkener zusammen und lag da, als habe ein Ringrichter bis zehn gezählt. Ihr Gesichtsausdruck schien beinahe verwirrt, überrascht von diesem Angriff. Bloß war sie nicht betrunken, und niemand hatte ein K.o. verkündet.
    Karen hatte sich nach dem Öffnen der Tür wie ein verängstigter Pudel in die Ecke gekauert. Nun stand sie hinter Pat, zupfte an seinem Ärmel und zeigte auf den Toten, der sich schon wieder aufraffte. Ihr kam das ebenso aberwitzig wie furchtbar vor, und sie wollte, das Pat ihn aufhielt. So schoss er wieder, zielte zum zweiten Mal auf die Brust. Diesmal zersiebte es den Oberkörper des Ekelpakets komplett, sodass vom Brustkorb beinahe nichts mehr übrig war. Löchrige Lungenflügel rutschten wie fettige Pfannkuchen von der Wand. Was hielt ihn überhaupt noch zusammen? Die Arme hingen von den klapprigen Schultern wie bei einer zerschlissenen Marionette. Dennoch gab der Tote keine Ruhe, hievte sein Spottbild von Körper ein drittes Mal hoch.
    Pat war völlig baff. Er schaute Karen gleichermaßen konfus und verschreckt an. Sie starrte zurück. Er schoss erneut, nun auf die verdammte Rübe, eine klumpige Wucherung aus Blut und Schleim, die einem Menschen ungefähr so ähnlich sah wie ein plattgefahrenes Tier. Als Pats Kugel eintrat – knapper konnte die Distanz kaum mehr sein –, platzte der Schädel, und ein rosa Sprühnebel ging über dem Eingang hernieder. Der Kadaver rutschte wieder an der Tür zu Boden, erneut schachmatt gesetzt. Endlich mit

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