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Grippe

Grippe

Titel: Grippe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wayne Simmons.original
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sind sie viel zu träge und dumm. Sei froh, wenn ein Einziger anbeißt.«
    »Warum machst du die Tür dann nicht selbst auf?«
    »Das weißt du genau«, sagte er wiederum im herabmindernden Ton. »Ich hab das Gewehr und muss möglichst schnell damit hantieren können.«
    » Und was, wenn du mich triffst?«
    »Vertrau –«
    Sie war zu weit gegangen, obwohl sie es nicht beabsichtigt hatte – es lag wirklich an ihrer Angst. Ihm aber genügten ihr andauerndes neurotisches Fragespiel. Selbst einen Ausbund an Gleichmut wie Pat ließ das auf Dauer nicht kalt.
    Karen musste überzeugend verstört ausgesehen haben, denn sonst hätte er sich nicht sofort wieder beruhigt. Er lächelte sogar ein wenig, um sie aufzuheitern. Zwar war auch das nicht das süße, knuddelige »Ei-Ei« eines Großvaters, das sie sich wünschte, aber immerhin; dieses sanfte, verständige Lächeln hätte er ihr häufiger schenken dürfen. In dieser Welt konnte sie gar nicht genug davon bekommen.
    »Okay«, entschied sie schließlich. »Ich werde es tun.«
    Pat nickte und hielt die Waffe im Anschlag. Seine Hände blieben ruhig, die Bewegungen geübt. Er schien die Angelegenheit recht pragmatisch zu betrachten, als müsse er bloß einen Handwerksjob verrichten und kein Monster abknallen.
    Karen schickte sich an, die Tür aufzuschließen. Im Gegensatz zu Pat hielt sie die Hände nicht ruhig. Ihr Herz klopfte wie ein Schlagbohrer. Mit dem Schloss hatte sie Probleme, auch weil sie andauernd aus dem Fenster schaute, um sich über den Verbleib der Toten zu vergewissern. Tatsächlich: Wie Pat vorausgesagt hatte, schien das Geräusch sie nicht direkt anzuziehen. Keiner zuckte zusammen, und nur Gott wusste, wie lange sie schon so verdrießlich in ein und dieselbe Richtung stierten. Einer hustete. Karen sah ihn zuerst spucken, dann würgte er einen dicken Blutklumpen heraus. Ihr wurde übel.
    Sie trat von der Tür zurück und hielt sich die Hand vor den Mund.
    »Alles klar mit dir?«, fragte Pat mit einem neuerlichen Seufzer. Das Gewehr hatte er weiterhin fest im Griff.
    »J-ja …«, stöhnte Karen. Sie kämpfte gegen den Reiz an, sich zu erbrechen. »Mir geht es gut, gib mir nur eine Sekunde. Ich mach gleich auf.« Sie fing sich wieder, atmete lange ein und dann aus. Sie musste es richtigmachen – nicht um seinetwillen, sondern für sich selbst.
    Endlich schritt sie nach vorn und zog die Tür auf.

    Für einen Mann wie Pat Flynn sollte es sich eigentlich als Klacks erweisen, mit einem A-18 ein sauberes Loch durch ein träges Ziel zu schießen, doch solche wie die hier waren ihm im Laufe der Jahre nicht vor die Flinte gekommen. Nein, während seiner »Karriere« bei den Paramilitärs hatte er auf lebhaftere Ziele geschossen, egal wie mies er sich dabei vorgekommen war. Aus genau diesem Grund hatte er seine bevorzugte Waffe auch Witwenmacher genannt.
    Es war nicht immer so gewesen, dass er Befehle hinterfragt hatte, doch manche Menschen sahen einfach wie weniger legitime Ziele aus als andere – die jungen Männer, die Frau und Neugeborenes küssten, bevor sie zur Arbeit aufbrachen. Allein dass diese auf einem Armeestützpunkt stattfand genügte, um sie ins Fadenkreuz zu nehmen. Dann kamen die im besten Alter, die ihren Dienst geleistet hatten, aber immer noch als Freiwild angesehen wurden, zum Beispiel einer, der den Hund abends zur nächsten Imbissbude Gassi führte, um noch die ein oder andere Geschichte aufzuschnappen, oder ein anderer, der an einem strahlenden Sommertag seine Karre wusch. Zuletzt blieben die Alten, die ihre Medaillen zum Gedenktag des Ersten Weltkriegs polierten und sich im Stillen um Jahrzehnte zurückversetzten, voller Stolz auf ihren Dienst am Vaterland. Zu dumm, dass sie dem Feind die Treue gehalten hatten; deshalb wurden auch sie zu legitimen Zielen.
    Wer war nun Pat, dass er sich herausnehmen konnte, Befehle anzufechten? Während der Anfangsjahre der Revolution war er noch nicht aktiv gewesen, doch gesehen hatte er in seiner Kindheit, was seine Freunde und Verwandten der Britenschweine wegen erdulden mussten: ›legale ‹ Entführungen und Verhöre, morgendliche Überfälle auf Häuser, in denen es nichts außer schreienden Kindern und Müttern zu befürchten gab, nicht zu vergessen der Blutige Sonntag! Der Zweck heiligte die Mittel? Alles für die gemeinsame Sache, hieß es. Am Ende muss-
te er natürlich einsehen, dass niemandem geholfen war außer den Politikern – nicht durch das Morden auf beiden Seiten der Grenze, ob vom Staat

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