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Grippe

Grippe

Titel: Grippe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wayne Simmons.original
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zwischen den Steinen brachen Gräser hindurch wie die Arme eines Untoten aus einem Grab. Die Abendsonne glomm vom Horizont her wie ein machtloser Gott.
    Geri quälte sich hinüber zu den Regalen und überlegte, wie sie sich am einfachsten erleichterte. Sie kramte in den Fächern, bis sie ein Gefäß fand, dass wahrscheinlich groß genug war. Die Schubladen daneben rappelten beim Aufziehen, doch darin fand sie nichts als eine Schere, Plastikbesteck und andere nutzlose Haushaltsgegenstände. In einer jedoch entdeckte sie Watte und eine Wunddesinfektionslösung neben Verbandszeug sowie wasserfestem Heftpflaster. Sie schnappte sich den Kram und warf ihn gemeinsam mit einer Rolle Küchenkrepp in ihren behelfsmäßigen Pisspott. Damit ging sie zurück zu den weißen Kunststoffmöbeln vor dem Gartenfenster.
    Seufzend stellte sie ihren Toilettentopf hinter dem Tisch ab. Alsdann im schummrigen Abendlicht knöpfte sie die Jeans auf, ruckte am Reißverschluss und zog blank, um in die Hocke zu gehen und ihr Geschäft zu erledigen.
    Übler geht’s echt nicht mehr, dachte sie bei sich.

    McFall stand am Fenster im ersten Stock und schaute auf die Straße. Es dunkelte, und die Abendschatten senkten sich wie ein Schleier über die Ereignisse des Tages. Er wollte früh zu Bett gehen, am liebsten jetzt gleich. Nach allem, was passiert war, der ganzen Aufregung in den letzten Stunden, fühlte er sich zerknirscht. Er schwor sich, nie wieder einen Fuß nach draußen zu setzen, solange es nicht absolut notwendig war.
    Durch die Gardinen mit Blumenmuster sah McFall einige Tote ziellos herumirren. Jeden Abend das gleiche Spiel – fast so, als gingen sie auf eine Art Streife. Allerdings begriffen sie anscheinend nicht, dass es in diesem Haus Überlebende gab, und falls doch, wie heute mit dem Mädchen, gestaltete es sich genauso wie mit Goldfischen, deren Glas man antippte – zwischenzeitlicher Aufruhr, dann wieder Gleichmut. Jetzt am Abend merkten sie wohl nicht, dass er sie beobachtete, aber er achtete trotzdem darauf, sich hinterm Vorhang nicht blickenzulassen.
    Das Haus war ihm und Lark schon seit einigen Wochen ein sicherer Hort. Wie viele genau, wusste er jedoch nicht mehr. Er hatte es ziemlich früh entdeckt, mehr oder weniger kurz nachdem sie beide sich begegnet waren. Vor drei Wochen? Vier? Egal, denn wen interessierten jetzt noch Zahlen? McFall fragte sich, wie lange die Bude sie wohl noch schützen würde. Je länger sie blieben, desto mehr Tote schienen aufzutauchen. Er befürchtete, dass sie irgendwann auf den Trichter kamen, wo sie sich versteckten, und dann hatten sie ausgeschissen.
    Aber dies war nicht seine einzige Sorge; andere kabbelten sich um die Vorherrschaft im Kummerkasten seines Hirns. Zunächst die Grippe an sich: Warum er sich nicht angesteckt hatte, verstand er nicht so recht. Insgeheim war ihm zwar schon klar, dass es nicht mit seinem Wollmasken-Fimmel zusammenhing, doch ausziehen wollte er das Teil immer noch nicht, auch wenn es wenig Schutz bot.
    Kleinvieh macht auch Mist, schwadronierte er im Geiste. Ob er aber tatsächlich immun war oder nicht, konnte er nie mit Bestimmtheit sagen. Tagtäglich steckten sich mehr Leute an, auch wenn vermutlich kaum noch jemand übrig war. McFall wusste, er konnte der Nächste sein.
    Zweitens hatten sie ein Versorgungsproblem. Sein heutiger Beutezug war nachweislich ein ziemlicher Reinfall gewesen, denn wegen des Mädchens hatte er alles im Kofferraum des Autos vergessen. Immer mehr Tote bevölkerten die Straßen, weshalb er sich kaum vorstellen konnte, die Sachen in absehbarer Zeit unbescholten hereinzuholen. Was sie noch von der letzten Plünderung übrig hatten, reichte nur noch wenige Tage, und wer ahnte schon, wie viele der Kreaturen bereits morgen oder übermorgen vor den Fenstern herumschlichen?
    McFall sann über sein Leben vor alledem nach. Er war Taxifahrer gewesen, und zwar ein verdammt souveräner. Lange und hart hatte er gearbeitet, aber gutes Geld verdient. Klar, das war nun alles bedeutungslos, auch die Kohle. Das Kleingeld in seiner Tasche war nicht mehr wert als Steine am Wegrand. Sein Bankkonto existierte nicht mehr. Die gesamten Ersparnisse – bloße Zahlen auf einem Bildschirm – waren über Nacht verschwunden, quasi auf Knopfdruck zunichtegemacht. Zwanzigtausend und ein paar Zerquetschte zerschossen wie eine Glühbirne in der falschen Lampe.
    Einen Moment lang grübelte er, was seinen Reichtum nun ausmachte. Er war gesund – soviel konnte er sagen,

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