Grippe
und er gluckste, als ersticke er gleich. Dann spuckte er zur Seite auf den Boden und räusperte sich. Jackson streckte eine Hand nach der Taste aus; als er drückte, leuchtete sie. Der Colonel reagierte nicht, da er das Brummen der eingeschalteten Lautsprecher wohl überhörte.
»Sie dürfen die Lautstärke gern hochdrehen, Sir«, flüsterte der Doktor. »Der Colonel hört – sagen wir – zunehmend schlechter.«
»Natürlich«, antwortete Jackson. Als er das Rädchen drehte, ließ sein Gegenüber erschrocken den Blick durch den Raum schweifen, denn er hatte die letzten Worte gehört.
»Hallo«, sprach der Colonel. »Sind Sie das, Gallagher?«
» Nein, Sir. Mein Name ist Major Connor Jackson. Man schickte nach mir, weil … äh –«
»Sie mich ersetzen sollen«, ergänzte der Colonel wie selbstverständlich. »Ich selbst habe Sie herbestellt, Sir. Wilkommen in der Kammer.«
»Danke, Sir«, erwiderte Jackson.
»Keine Ursache.« Sein Gegenüber nahm ein Klemmbrett vom besudelten Tisch. »Ich sehe, Sie sind nicht zum ersten Mal hier. Alter Profi, nicht wahr? Anfang der Neunziger gemeinsam mit Dr. Gallagher hier gedient, wie es aussieht. Inhaftierung und Verhör einschlägiger IRA-Aktivisten. Die waren Ihr Steckenpferd, nicht wahr?«
»Jawohl, Sir«, bestätigte Jackson. An dem Brett klemmten vermutlich Auszüge seines Lebenslaufs. Er wusste sehr gut, was darin stand, und fühlte sich unwohl, da der Colonel frei darüber verfügte – als Mann, den er während seiner Dienstzeit eigentlich nie getroffen hatte. Jene düsteren Tage bedeuteten ihm nichts mehr, also wirkte jener Connor Jackson, von dem gerade die Rede war, wie ein Fremder auf ihn, als handle es sich um eine Personenverwechslung.
»Jawohl, Sir, in der Tat«, wiederholte der Colonel wie ein Rektor, der einen Eleven maßregelte. Jackson fasste dies als Affront auf, verkniff sich aber eine Bemerkung. »Allerdings schienen Sie nicht immer mit unseren Gepflogenheiten hier konformzugehen«, fuhr der andere fort. »Abschied von den Truppen nach einem gewissen Vorfall im Zusammenhang mit –«
»Gewiss, Sir«, fuhr der Major dazwischen und versuchte gleichzeitig, die Fassung zu wahren, »muss ein Soldat in der Kampfsituation fragwürdige Dinge tun.« Er hielt sich vor Augen, dass er mit einem Sterbenden sprach. Für Diskussionen über soldatische Verhaltensregeln war dies weder der richtige Ort noch der passende Augenblick. »Ich muss jedoch betonen, dass ich heute weit größeren Wert auf Prinzipien lege.« Die Vergangenheit holte ihn auf schmerzhafte Weise ein. »Was einmal war –«
» Keine Zeit, Prinzipien zu reiten«, schnitt der Colonel ab. »Jetzt muss das Notwendige unternommen werden, und zwar abhängig davon, was die Situation vorgibt. Das Virus – diese unsägliche Grippe – muss eingedämmt werden.« Er betonte das Wort, als glaube er immer noch nicht, dass etwas derart Alltägliches ein solches Chaos verursachen konnte. »Es bedarf starker Führungskräfte, um zu garantieren, dass dies geschieht.«
Jackson schwieg, da er sich plötzlich des kaltblütigen Doktors in seinem Nacken bewusst wurde, dessen zu Schlitzen verengte Augen ihm ein Loch in den Schädel zu brennen schienen. Warum hatte der Colonel sein Amt nicht einfach an Gallagher abgegeben? Immerhin passte dessen Profil perfekt zu dem Mann, den er dafür suchte.
»Ich tue mein Bestes, Sir«, versprach er schließlich in demütigem Ton, jedoch nicht ohne Selbstbewusstsein. »Unter Ihrer Ägide, versteht sich.«
Der Colonel lachte. »Ich werde innerhalb der nächsten vierundzwanzig Stunden das Zeitliche segnen.« Ein Anflug von Zorn brach sich in Gestalt eines Röchelns Bahn, das seinen Körper beben ließ. »Unterdessen habe ich ausdrücklich betont, meinen Leichnam für Dr. Gallaghers Projekt zu spenden. Bitte gehen Sie nun; ich habe nicht mehr viel Zeit und will mein letztes Stündlein fürwahr nicht mit einem Speichellecker wie Ihnen verbringen.«
Jackson traute seinen Ohren nicht. Hatte der Colonel das wirklich gesagt? Er drehte sich zu Gallagher um und starrte ihn ungläubig mit weit offenem Mund an. Der Doktor erwiderte den Blick, doch sein gutmütiger Gesichtsausdruck konnte ein leichtes Grinsen nicht verhehlen.
»Wenn Sie mir bitte folgen würden, Sir.« Er zeigte auf die Tür wie ein herkömmlicher, ein ethisch lauterer Arzt. »Es ist an der Zeit, dem Colonel einen Rest Privatsphäre zu gönnen.«
Jackson trat in dem Bewusstsein hinaus, dass der Mann, mit dem er gerade
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