Grippe
Schränkchen für die unteren Körperpartien. Zum Schluss pinkelte er, womit er das allmorgendliche Toilettenritual einmal mehr hinter sich hatte.
Als er aus dem Bad kam, traf er im Flur auf Karen. Ihr sportlicher Körper war ebenfalls in einen Mantel gehüllt, der ihre Kurven sehr deutlich betonte. Pat wurde auf einen Schlag verlegen.
»Morgen«, murmelte er und schaute nach unten, als er vorbeihuschte.
»Morgen«, erwiderte sie quirlig wie immer. »Möchtest du eine Tasse Tee?«
»Gerne.« Er drehte sich nach ihr um, aber nur kurz. Sie verschwand sogleich in der Küche. Als er in sein Zimmer zurückkehrte, hörte er Tassen und Besteck klirren. Karen kochte Wasser auf und bereitete ihr Frühstück vor.
Von irgendwo unterhalb vernahm er die Toten. Auch sie waren rege geworden, obwohl er bezweifelte, dass sie überhaupt schliefen. Ihr dumpfes Ächzen und andauerndes, rasselndes Husten begleitete Karens pfeifenden Wasserkessel auf dem Herd.
Pat zog die Vorhänge im Schlafzimmer auf und schaute hinaus. Im Vergleich zu gestern waren definitiv viel mehr unterwegs. Sie füllten alle Grünflächen und auch den unmittelbar an den Wohnblock grenzenden Parkplatz. Soweit er es von oben überblicken konnte, drängten sie sich auch weitflächig ziemlich dicht aneinander, was es nahezu unmöglich machte, ohne größeres Risiko zu agieren. Aus zweierlei Gründen waren dies schlechte Neuigkeiten.
Zunächst im Hinblick auf ihre Lebensmittel: Sie konnten nicht ewig von dem zehren, was sie hatten – und dabei dachte er nicht nur an das Mineralwasser. Auch Tee, Kekse, Müsli und Konserven würden ihnen ausgehen, eher früher als später. Wenn er sich nicht verschätzte, reichte es vielleicht noch für eine Woche, und zwar allerhöchstens.
Zweitens durchkreuzte es seine Pläne für diesen Morgen. Am Abend noch hatte er versprochen, Karen den Umgang mit der Waffe beizubringen, doch nun, da massenweise Tote herumliefen, war es leichtsinnig bis saudumm, überhaupt nur in Erwägung zu ziehen, die Tür im Erdgeschoss zu öffnen.
Er hockte sich aufs Bett und dachte nach, wie es Männer seiner Art taten – pragmatische Männer.
»Frühstück ist fertig«, hörte er Karen aus der Küche.
»Bin schon da«, rief er zurück.
Karen stellte sich unbeholfen mit der HK an. Sie hielt die Pistole wie ein heißes Kohlebrikett. Die zwei standen auf dem Gang im achten Stock, also nur zwei Treppen unter ihrer Wohnung. Weit hinten an der gegenüberliegenden Wand hafteten die hastig gezeichneten Umrisse eines Menschen. Ein paar Taschenlampen hatten sie ebenfalls mit Klebstreifen an den Wänden der Korridore befestigt, durch die sie gekommen waren. Licht gab es also genug.
» Hält man sie so beim Zielen?«, fragte Karen und blickte angestrengt drein, indem sie die Stirn in Falten legte. Durch die gespitzten Lippen wirkte sie auf Pat reizender und unschuldiger als je zuvor – selbst mit einer 9mm.
Pat korrigierte die Pose behutsam und legte auch ihre andere Hand zur Stabilisierung an die Waffe, während sie das Ziel ins Auge fasste.
»Du hältst sie, wie es dir am bequemsten vorkommt«, erläuterte er.
»Darf ich jetzt abdrücken?«
» Du darfst mit Gefühl abdrücken«, mahnte er, »aber nicht zu schnell.«
Pat beobachtete ihr angestrengtes Mienenspiel. Sie kniff beide Augen zu, ehe sie feuerte. Als der Schuss losging, zitterte ihre Hand in erster Linie vor gespannter Erwartung, weniger weil es so laut war. Sofort riss sie die Augen auf und starrte aufgeregt an die Wand einige Meter vor ihnen.
»Hab ich getroffen?«, fragte sie.
Pat legte eine Hand um den Lauf der Pistole, richtete ihn auf den Boden und sicherte die Waffe, bevor er nachschaute. Als er die weiße Tapete nach Anzeichen eines direkten Treffers absuchte, entdeckte er nur einen schwarzen Abplatzer an der Betonwand über dem Ziel.
»Ein bisschen zu hoch«, rief er zurück und lächelte ermutigend. »Gar nicht übel.« Pat war wirklich beeindruckt. Sie übten noch nicht lange, doch Karen zielte allem Anschein nach recht zuverlässig. Jetzt musste sie bloß noch lernen, keinen solchen Schiss vor der Knarre zu haben und sie entspannt zu halten. Dann wäre sie …
… ein Killer? So wie du, Pat?
Er verbannte die düsteren Gedanken. Sie brachen sich erneut Bahn und drohten, ihn in Beschlag zu nehmen. Zu überwältigen. Vor einiger Zeit, noch ehe das hier losgegangen war, hatte er seinen Hausarzt aufgesucht, der ihm Tabletten gegen Schlafstörungen verschreiben sollte. Der Mann
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