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Grippe

Grippe

Titel: Grippe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wayne Simmons.original
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Hundeaugen – träger, unförmiger Gallert, genauso unansehnlich wie seine Schuld.
    Er zog sein Hemd wieder an und richtete den Kragen, bevor er sich das Gesicht abrubbelte und einen letzten Blick in den Spiegel warf. Die Augen blieben am Polizeiemblem hängen, und er fuhr mit der Hand über die hervorstehende Stickerei. Es gab immer noch Arbeit für ihn zu tun. Mehr denn je, dachte er.

13

    Die meiste Zeit des Morgens verbrachten sie damit, sich für ihren Vorstoß ins Spirituosengeschäft zu wappnen. Nach einigem Hin und Her, das zu keinem Ergebnis führte, rangen sich Lark und Norman schließlich dazu durch, die Führung zu übernehmen. George bezog oben hinterm Schlafzimmerfenster Stellung, um ihnen mit einem HK 33 Deckung zu geben.
    »Bereit, Partner?«, rief Norman die Treppe hinauf.
    Er hörte Georges Bestätigung irgendwo aus dem Obergeschoss des kleinen Hauses, einer typischen Vierzimmerwohnung auf zwei Etagen.
    Als Nächstes musterte Norman den tätowierten Kerl neben sich, der unerhört, aber notwendigerweise Georges komplette Kampfausrüstung sowie einen Revolver trug.
    »Schick, schick«, feixte er.
    Lark grinste bloß angesäuert wie ein eingeschnapptes Kind.
    Schließlich kam der Große zur Sache: »Also gut. Die Laufarbeit übernehme größtenteils ich. Stolper mir nicht zwischen die Füße und schaff dich dort rüber, so schnell du kannst.«
    Lark nickte nur kurz, als ließe ihn die Stichelei kalt, weshalb Norman unsicher war, ob er ihn nicht verstanden hatte – diese Kampfhelme störten manchmal gewaltig auf den Ohren – oder bewusst ignorierte. Er bevorzugte natürlich Ersteres, denn jemand wie Norman verstand es als Zeichen von wirklich sehr schlechten Manieren, wenn man ihn nicht beachtete. Es war ein rotes Tuch für ihn.
    Da kam ja auch der Irre mit der Sturmhaube. Er warf Norman einen verlegenen Blick zu und klopfte seinem Kumpel auf den Rücken.
    »Viel Glück«, wünschte er ihm, ehe er den Großen erneut anschaute, wieder betreten und nur flüchtig.
    »Okay, auf geht ’ s«, sprach Norman zu Lark und schüttelte einmal mehr den Kopf wegen McFall. Er hasste feige Mannsbilder; sie waren würdelos und peinlich für alle, die mit ihnen zu tun hatten. Vielleicht gab es für den Maskenmann gute Gründe, Schiss zu haben, ein übergreifendes Persönlichkeitsproblem, schlimme Erfahrungen oder ein Knacks, den er von seinen Erzeugern während der Kindheit mitbekommen hatte. Norman kratzte das nicht, denn in dieser kaputten Welt der Verzweiflung bekam niemand eine Extrawurst. Überleben war nur möglich, wenn man sich anpasste, stärker war, beziehungsweise ruchloser vorging als der Rest. Und Norman hatte vor, zu überleben.
    Es schienen mehr Tote denn je unterwegs zu sein, aber den Grund dafür kannte er nicht. Norman konnte wirklich kein Muster in ihrem Verhalten entdecken. Manchmal waren sie behäbig, dann wieder aggressiv, und während sie hier in Scharen kamen, blieben sie dort allein oder zu zweit, als hätten sie sich verirrt. Auf gewisse Weise, dachte Norman, unterschieden sie sich nur wenig von dem, was sie vorher dargestellt hatten: Fettsäcke, Vogelscheuchen, alte Knacker und Jungspunde. Jetzt waren sie immer noch dick oder dürr, alt oder jung – nur eben tot. Norman musste sie jedoch so oder so nicht studieren und verstehen lernen. Für Gefühlsduselei hatte er ebenfalls keine Zeit – einfach bereit sein und abknallen. Das bereitete ihm keine Probleme; am Ende tat er sich, wenn es ums Überleben ging, keinen Zwang an und war praktisch zu allem fähig.
    Ihre Straße verlief den Berg hinunter – wie viele, die von der Lisburn Road abzweigten. Die Gebäude gegenüber den Reihenhäusern auf ihrer Seite ragten windschief in die Höhe, weshalb die Sonne nicht einfiel. Den Alkohol gab es drüben in einem Eckladen an der Kreuzung. Norman kam er fehl am Platz vor wie ein Pfaffe im Bordell – zwielichtig und gehemmt. Dementsprechend sahen die dunklen, vergitterten Fenster im Schatten wie verdrießliche Augen aus, die etwas Peinliches zu verheimlichen suchten.
    Er schaute zu, wie Lark über die Straße Richtung Geschäft preschte. Sprinten konnte der Knabe, das musste Norman ihm lassen. Andererseits: Wer wusste, was er sich eingefahren hatte – Speed? Ecstasy? Koks? Irgendetwas Illegales floss bestimmt durch seine Blutbahn. Norman hatte seit Tagen kein Erfolgserlebnis gehabt und fühlte sich auch so. Er war erschöpft und spürte sein Alter überdeutlich. Sobald sie zurückkehrten würde er

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