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Grippe

Grippe

Titel: Grippe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wayne Simmons.original
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Süden her angereist waren, hatten bald aufgehört, nach den Regeln zu spielen, manche natürlich schneller als andere. Waffe und Uniform schenkten nunmehr keinem Menschen in Nordirland Hoffnung, am wenigsten der Zivilbevölkerung.
    Seine Gedanken schweiften zurück zu seiner letzten Absicherungsmaßnahme. Das kleine Mädchen. Die Mutter hatte ihn angesehen, als besäße er die Macht, etwas für sie zu tun, und was hatte er getan? Sie wie wilde Tiere eingesperrt. Dies war vermutlich die letzte Gelegenheit gewesen, bei der er versucht hatte, wie ein Sergeant zu handeln – und gescheitert war – beziehungsweise sich aufzuspielen, als bedeute es irgendetwas, zur Polizei zu gehören oder eine Uniform zu tragen. Von einem ruhmvollen Moment konnte also kaum die Rede sein.
    George fühlte sich plötzlich atemlos, als stecke er wieder in dem Kampfanzug.
    Geri schaute ihn besorgt an. »Alles okay?«, fragte sie.
    »S-sicher.« Sein Lächeln wirkte leidlich überzeugend. »Hab mich nur am Tee verschluckt.«
    Sie grinste zurück, schien ihm also zu glauben.
    »Der Entschluss steht demnach fest?«, fragte er in die Runde.
    Noch ehe jemand antwortete, war er aufgestanden, wobei er merkte, dass ihm der Schweiß über den Rücken lief. Sein Partner beäugte ihn aufmerksam, wie ihm auffiel. Da entschuldige er sich, verließ die Küche, ging über den Flur und die Treppe hinauf ins Bad. Dabei simulierte er einen Hustenreiz, obwohl es eigentlich sein Hals war, dessentwegen er sich Gedanken machte. Seine Brust schien jeden Moment zu bersten; er kochte unterhalb des Kragens. Nachdem er ins Bad getreten und die Tür mit zittriger Hand abgeschlossen hatte, sah er eine Flasche Mineralwasser auf dem Waschbecken sowie ein paar unbenutzte Toilettenartikel, die man in der Wanne deponiert hatte. Er steckte den Stoppel in den Ausfluss und schüttete den halben Inhalt der Flasche ins Waschbecken. Dann zerrte er an seinem Kragen, knöpfte das Hemd auf und schaffte es sich vom Leib, um Wasser zu schöpfen und sich abzukühlen. Schließlich hockte er sich auf den Klodeckel, lehnte sich zurück und atmete tief durch.
    Diese verdammten Panikattacken wurden immer schlimmer.
    Ein Klopfen an der Tür schreckte ihn auf.
    »Alles senkrecht?«
    Es war Norman. Sein Partner wusste zwar, dass er geheuchelt hatte und weshalb, doch George glaubte weiterhin, seine Fassade aufrechterhalten zu müssen.
    »Ja, hab mich nur beim Trinken verschluckt«, rekapitulierte er, als ob es die Lüge beim zweitem Mal glaubwürdiger machte.
    »Solange es dir gut geht«, sagte Norman und verschwand wieder.
    Als Mensch mochte er seine Macken haben, doch wenn man dem Großen eines nicht vorwerfen konnte, dann Treulosigkeit. George konnte nicht zusammenzählen, wie oft sein Partner ihm die Haut gerettet hatte, insbesondere in letzter Zeit, da dieser Job jemandem wie ihm immer weiter über den Kopf hinauswuchs – einem Cop, der sich gern an Regeln hielt und seine Arbeit nach dem Lehrbuch verrichtete …
    Ein Cop, der getötet, auf Unschuldige gefeuert hatte.
    George wies diese abgründigen Gedanken von sich und beklebte sie mit einem imaginären Bitte nicht stören-Schild. Er setzte sich aufrecht hin, nahm das Mineralwasser und schluckte gierig. Nachdem er sich noch etwas aus dem Becken ins Gesicht gespritzt hatte, schaute er in den Spiegel.
    »Komm schon. Reiß dich am Riemen«, redete er sich gut zu.
    Schwarze Ringe säumten seine Augen, hoben sich deutlich von seinem hellen Teint ab. Sein Haar klebte wie mit Leim bestrichen am Kopf. George wirkte wie durch den Wolf gedreht, aber das war ihm gleich. Jeder sah so aus, besonders in dieser Bude.
    Plötzlich blinzelte ihm ein hübscheres Paar Augen entgegen. Weder waren es seine eigenen, noch die von irgendwem, den er liebte oder auch nur entfernt kannte. Es waren die des Mädchens, das er unter Quarantäne gestellt hatte. Die Tochter der Osteuropäerin aus dem Apartmenthaus in Finaghy. Sah er einen Geist? Sie beschäftigte ihn am Tag und verfolgte ihn im Schlaf, seit er auf sie gestoßen war. Hatte er es tatsächlich mit einem Geist zu tun – einer rastlosen Seele auf der Suche nach Frieden in einer Umgebung, die den Tod zu einer Allerweltsangelegenheit verkommen ließ –, dann auf jeden Fall mit einem wunderschönen. Wie Kohlen schwelten die Ovale ihrer großen Augen im Spiegelglas. Es war ein kräftiges Dunkelbraun bis Schwarz, das an Schokolade erinnerte, doch sie verschwand wieder, und George blickte erneut in seine eigenen

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