Grippe
sie den Schneid besaß, ihm die Stirn zu bieten, und zuversichtlich, dass sie sich nun allein behaupten konnte.
Er nahm Karen neben sich wahr. Sie legte ihm die Hände um den Hals und weinte, kreischte. Noch wollte sie den Blutfluss stillen, aber es war zu spät.
»Hör auf, zu bluten!«, heulte sie, immer wieder unterbrochen von tiefem und kläglichem Schluchzen. »Hör auf!«
»Ist … o-okay«, stammelte er im anhaltenden Schockzustand. »Nur … t-traue ich d-denen einfach –« Seine Stimme versagte, das Licht in seinen Augen erlosch, und der Kopf knickte zur Seite um, als er schlagartig seinen letzten Atem aushauchte.
»Habt ihr das gehört?«, fragte Lark, als er den Kopf aus der Dachluke des Landrovers streckte.
»Was?« George kauerte hinten im Wagen und zog gerade zwei Kanister Treibstoff hervor.
»Da war was. Ein Schuss, glaube ich«, grummelte Lark.
»Wäre wohl nicht der einzige in der Gegend«, erwiderte George, indem er die beiden Behälter zu ihm hievte.
»Also gut.« Lark schlug sich den Gedanken an den Schuss aus dem Kopf. »Ich kipp das Zeug einfach über den armen Pissern aus, hoffentlich den meisten.«
»Dann hoffen wir mal, dass es klappt«, bemerkte George und warf ihm einen skeptischen Blick zu.
Lark grinste nur. »Das klappt wie geschmiert, Kumpel.« Es war heikel, dass er immer noch rauchte, als er den ersten Kanister öffnete und begann, so viele Tote wie möglich mit der dicklich schwappenden Flüssigkeit zu übergießen. Da sie sich jeweils ungefähr zu viert hintereinander um den Wagen drängten, ging nur wenig aus dem ersten Kanister daneben. Als eine einzelne Hand nach seinem Knöchel schnappte, zog Lark das Bein fort, fand seine Balance wieder und gab dem übereifrigen Langfinger die Stahlkappen seiner Docs zu spüren. Der tumbe Balg reagierte kaum, sondern fiel einfach mit zerquetschter Flosse zurück, um sich wie die anderen mit stinkendem Diesel parfümieren zu lassen.
»Okay, der erste Kanister ist leer«, rief er hinunter zu George, indem er mit der flachen Hand aufs Dach klopfte. Mit der anderen hielt er immer noch die Kippe. »Fahr dichter ans Haus.«
Der Landrover rollte los. Langsam bewegten sie sich durch die Masse auf das Wohnsilo zu. Die Leiber stießen gegen den Wagen, drehten sich um und starrten den Fahrer an, als seien sie entrüstet darüber, dass sich jemand in einer Schlange vordrängelte. George blieb direkt vor der Traube stehen, die den Eingang versperrte.
»Gut, gleiches Spiel wie vorhin?«, fragte George durch die Luke.
»Gleiches Spiel«, plärrte Lark nach unten und zog an seinem Stummel. Dann schraubte er den Deckel des zweiten Kanisters ab und leerte ihn über den Toten. Sie achteten kaum darauf, manche bestenfalls mit einem entnervt klingenden Stöhnen, während die meisten es still und wie in Demut hinnahmen. Nach wenigen Sekunden streckte George den Kopf wieder durch die Luke und schaute sich unter den nassen, stinkenden Köpfen der Toten um.
»Hey!«, rief Lark. Er sah plötzlich betroffen aus.
»Was?«, fragte George nervös. »Gibt ’ s Probleme?«
»Ich kenne den Typen …« Lark zeigte auf einen der Umstehenden. »Hab ’ ne Weile mit dem im Bunker gesessen, so Ende der Neunziger.«
» Im was?«, fragte George mit hochgezogenen Augenbrauen.
»Im Bunker«, wiederholte Lark und fügte »auf Entzug« an, als George immer noch nicht verstand. »Dort musste ich nach der Ecstasy-Welle hin. War ziemlich heftig auf Pillen, also hab ich mich ein bisschen entgiften lassen. Wochenlanges Zittern wie ein Junkie, sag ich dir. Na ja, den Kerl da hab ich dort getroffen. War okay und immer für ’ nen Lacher gut.«
Der Polizist schüttelte den Kopf.
»Ihr hattet ’ nen Lacher?« Es klang furchtbar abwegig. »Ich lebe wohl in einer völlig anderen Welt als du.«
Lark warf ihm einen amüsierten Blick zu, grinste und paffte.
George sah über die begossene Totenschar. »Okay, was jetzt?«
Lark nahm den Stummel aus dem Mund, und blies dem Cop Qualm ins Gesicht. »Wir lassen sie hochgehen.«
Verschmitzt grinsend schnippte er die Zigarette weg.
Ein Leichnam in der Nähe fing sofort Feuer und raufte sich die Haare – als wolle er Lark danken. Dämlich, wie er war, schaltete er auf Zappelmodus und fing an, sich wie eine rollige Katze zu winden, um einen weiteren, dann zwei und schlussendlich zehn Leiber mit der Hitze anzustecken, die er sich als Erster eingefangen hatte. So breiteten sich die Flammen aus. Die andere Gruppe, die den ersten
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