Grippe
fest.
Sie liefen weiter durchs Treppenhaus nach oben, derweil Karen jedes Mal zusammenzuckte, wenn hinter ihr ein Schuss fiel. Ihre Gedanken waren konfus, sie kam sich benebelt und gleichsam überreizt vor. Ihr Herz raste, dass sie es fast im Mund spürte. Während sie die Stufen nahm, gingen Bilder von Pat, den Toten und der Kleinen vor ihren trüben Augen ineinander über.
Ein weiterer Schuss, dann noch einer. Es kam ihr vor wie ein Puls, der sich alle paar Schritte wiederholte.
»Was ist da los?«, fragte sie die andere Frau. Die hatte rote Haare, und ihr Gesicht passte dazu. Die Schweißperlen auf ihrer Stirn entsprachen bestimmt der Zahl ihrer Sommersprossen.
»Würde ich auch gern wissen«, antwortete sie und sah Karen an.
»Nur weiter«, schnaufte der Tätowierte ihnen entgegen.
»Ich kann nicht! Keine Puste mehr!«
»Und wo zum Henker steckt George?«
Der Tätowierte packte sie unwirsch am Arm.
»Ich sagte weiter!«, fauchte er und zog sie mit, dass sie ins Stolpern geriet.
Als sie den zehnten Stock erreichten, stürzte Karen aus dem Treppenhaus auf den Gang in Richtung der Wohnung, in der sie sich mit Pat versteckt hatte. Die anderen folgten ihr. Sie setzte das Mädchen ab und kramte in ihrer Tasche nach dem Schlüssel. Die Tür war eingerastet, als sie die Wohnung zuletzt verlassen hatte. Vor dem Aufschließen hielt sie kurz inne im Bewusstsein, dass Pat drinnen lag. Sie hatte seine Leiche hastig in seinem Zimmer in Decken gewickelt. Einen anderen Unterschlupf gab es jedoch nicht; sie konnten sonst nirgendwohin fliehen.
»Hierher!«, rief sie, ehe sie die Kleine durch den Türspalt schob und ihr in den Wohnungsflur folgte. Die anderen liefen rasch hinterdrein, und der Tätowierte schloss hinter sich ab.
» Gott oh Gott …« Er fiel auf die Knie, beugte sich vornüber und rang nach Luft. Ein Schrei ließ sie alle drei auffahren. »Mann«, stöhnte er. »Was ist das jetzt?«
Das Mädchen war in die Küche gestapft, trippelte aber wieder heraus, gefolgt von Karens altem Freund Pat. Sein Kopf baumelte vom Hals herab wie in einer kruden, alptraumhaften Fassung des Schwingballspiels, das sie aus ihrer Kindheit kannte. Sein Mund bewegte sich noch, die Zähne mahlten, und seine Augen blickten suchend umher, während er sich näherte.
»Oh Gott, nein …« Karen blieb wie gebannt auf der Stelle stehen. Die Decken klebten wie ein Umhang an ihm. Pat schien sich besonders zu ihr hingezogen zu fühlen, doch sie war nicht in der Lage, sich zu rühren, als stünde noch etwas zwischen ihnen beiden, als fehlten noch Worte, die alles wiedergutmachen konnten, was sie ihm angetan hatte. »Es t-tut mir leid!«, kreischte sie und brach in Tränen aus, die ihr über die geröteten Wangen liefen.
Pat sah sich nicht bemüßigt, ihre Entschuldigung zu akzeptieren. Seine rauen, schwieligen Hände legten sich wie eine Würgschlinge um ihren Hals. Sie wehrte sich, fiel jedoch über einen Stuhl, und beide krachten zu Boden. Sein Kopf fiel ihr vors Gesicht. Der Mund zuckelte fieberhaft neben ihr, die Zähne suchten Fleisch und fanden ihre Wange wie ein fehlgeleiteter Zahnbohrer. Karen langte schreiend nach dem Schädel, der nur noch lose an Arterien und Venen mit dem Rest verbunden war, und riss ihn mit einem Ruck ab, ehe sie sich angewidert aufraffte, als krabbelten Spinnen am Boden. Pats Leib zuckte kurz und heftig wie der eines Epileptikers, ehe er Ruhe gab. Dann entfernte sie den Schädel mit der Kiefersperre von ihrer Wange, wobei sie noch mehr ihres eigenen Fleisches zerfledderte. Sie kreischte ungehemmt und warf den Kopf wie glühend heiße Kohle von sich.
Am Rande ihres Gesichtskreises nahm sie die beiden anderen wahr, die das Mädchen zum Eingang des Apartments zurückführten. Die Tür stand auf, und sie eilte hinterher. Ein langer Fleischfetzen hing ihr vom Gesicht, wo Pat zugebissen hatte. Sie kehrte zum Treppenhaus zurück, das jedoch vor Toten überquoll. Einige brannten und verpesteten die Luft des engen Raumes mit ihren verkohlten Kadavern. Das Feuer war an mehreren Stellen auf das Haus übergegangen und breitete sich durch die flammenden Leichen auf den Stufen weiter aus. Sie bedrängten Karen, die stolperte und stürzte. Einige bückten sich nach ihr, während andere ungerührt weiter den Stufen nach oben folgten, wie als ob sie sich noch mehr warmes Fleisch erhofften. Hier aber kamen die weniger Geduldigen, die hier und jetzt fressen wollten, über sie – wie Hyänen, die ihr sieches Opfer
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