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Grischa, Band 2: Eisige Wellen (German Edition)

Grischa, Band 2: Eisige Wellen (German Edition)

Titel: Grischa, Band 2: Eisige Wellen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leigh Bardugo
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verschlug mir den Atem. Hastig entfernte ich mich von dem hell erleuchteten Weg bei den Pferdekoppeln, strebte auf das Birkenwäldchen zu.
    Da wollte mich jemand am Arm festhalten.
    »Alina«, sagte Maljen.
    Ich schüttelte seine Hand ab und ging schneller, rannte fast.
    »Bleib stehen, Alina«, sagte er und hielt trotz seiner Verletzungen mühelos Schritt mit mir.
    Ich überhörte ihn und eilte in den Wald. Ich konnte die heißen Quellen riechen, die die Banja speisten, den Duft des Birkenlaubs unter meinen Füßen. Meine Kehle schmerzte. Ich wollte einfach nur allein sein, um weinen oder mich übergeben zu können oder beides zugleich.
    »Verdammt, Alina. Bleib endlich stehen.«
    Da ich nicht zeigen mochte, wie verletzt ich war, ließ ich meiner Wut freien Lauf.
    »Du bist der Hauptmann meiner Leibgarde«, rief ich und stürmte weiter blindlings durch den Wald. »Wieso prügelst du dich wie ein Gemeiner?«
    Maljen packte meinen Arm und riss mich herum. »Ich bin ein Gemeiner«, knurrte er. »Ich bin weder einer deiner Pilger noch ein Grischa und auch kein verhätschelter Wachhund, der die ganze Nacht vor deiner Tür hockt, für den Fall, dass du Bedarf hast.«
    »Natürlich nicht«, schäumte ich. »Du hast Besseres zu tun. Zum Beispiel, dich zu besaufen und deine Zunge in Zojas Hals zu stecken.«
    »Sie zuckt wenigstens nicht zurück, wenn ich sie berühre«, zischte er. »Du weist mich ab. Was kümmert es dich, wenn sie mich will?«
    »Es kümmert mich überhaupt nicht«, sagte ich, aber meine Worte waren ein Schluchzen.
    Maljen ließ mich so ruckartig los, dass ich fast umgefallen wäre. Er entfernte sich ein paar Schritte und raufte sich die Haare, doch bei dieser Bewegung zuckte er zusammen. Er betastete seine Seite. Ich hätte ihn gern angeschrien, er solle einen Heiler aufsuchen. Ich hätte ihm gern einen Schlag gegen die gebrochene Rippe verpasst, damit sie noch mehr wehtat.
    »Bei allen Heiligen«, fluchte er. »Ich wünschte, wir wären nie hierhergekommen.«
    »Dann lass uns verschwinden«, sagte ich wild entschlossen, obwohl ich wusste, wie unsinnig dies war. »Wir hauen gleich heute Nacht ab und vergessen, dass wir jemals hier waren.«
    Er lachte verbittert auf. »Weißt du, wie sehr ich mir das wünsche? Endlich wieder ohne trennende Ränge oder Wände mit dir zusammen zu sein? Wir beide als schlichte Gemeine ?« Er schüttelte den Kopf. »Aber das willst du gar nicht, Alina.«
    »Doch, das will ich«, sagte ich mit tränenüberströmten Wangen.
    »Mach dir nichts vor. Du würdest sofort wieder umkehren.«
    »Wie kann ich denn alles wieder einrenken?«, fragte ich verzweifelt.
    »Du kannst es nicht einrenken!«, rief er. »Es ist nun einmal so. Ist dir nie in den Sinn gekommen, dass es dir bestimmt sein könnte, Zarin zu werden, und dass es mir bestimmt ist, ein Nichts zu sein?«
    »Das ist nicht wahr.«
    Er stapfte auf mich zu. Das Zwielicht ließ die Schatten der Äste über sein Gesicht tanzen.
    »Ich bin kein Soldat mehr«, sagte er. »Ich bin kein Prinz und ich bin ganz sicher kein Heiliger. Was bin ich, Alina?«
    »Ich …«
    »Was bin ich?«, flüsterte er.
    Er stand jetzt dicht vor mir. Sein vertrauter Duft nach der sattgrünen Wiese wurde vom Geruch nach Schweiß und Blut überlagert.
    »Bin ich dein Hüter?«, fragte er.
    Er strich langsam über meinen Arm, von der Schulter bis zu den Fingerspitzen.
    »Dein Freund?«
    Er strich mit der linken Hand über meinen anderen Arm.
    »Dein Diener?«
    Ich spürte seinen Atem auf meinen Lippen. Mein Herz schlug bis zum Hals.
    »Was bin ich? Sag es mir.« Er zog mich dicht an sich und ergriff mich bei einem Handgelenk.
    Als er die Finger schloss, durchfuhr mich ein heftiger Ruck und meine Beine gaben unter mir nach. Alles drehte sich und ich japste auf. Maljen ließ meine Hand los, als hätte er sich verbrannt.
    Er wich wie vor den Kopf gestoßen von mir zurück. »Was sollte das?«
    Ich versuchte meine Benommenheit wegzublinzeln.
    »Was zum Teufel sollte das?«, fragte er wieder.
    »Ich weiß nicht.« Meine Finger kribbelten noch.
    Er verzog die Lippen zu einem freudlosen Lächeln. »Wir hatten es nie leicht miteinander, wie?«
    Ich kam auf die Beine, war plötzlich erzürnt. »Ganz genau, Maljen. Mit mir wird es nie leicht oder nett oder angenehm sein. Ich kann den Kleinen Palast nicht verlassen. Ich kann nicht wegrennen oder so tun, als wäre ich eine andere, denn wenn ich das täte, würden noch mehr Menschen sterben. Ich werde nie mehr einfach nur

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