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Grischa, Band 2: Eisige Wellen (German Edition)

Grischa, Band 2: Eisige Wellen (German Edition)

Titel: Grischa, Band 2: Eisige Wellen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leigh Bardugo
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hoffte, dass er nicht nur die Treppe traf. Im nächsten Moment nahmen wir die letzten Stufen.
    Wir stürmten in den Kuppelsaal, hinter uns fielen die Türen zu und die Grischa schoben den Riegel vor. Die Nitschewo’ja rannten auf der anderen Seite unablässig und mit dumpfem Poltern dagegen an.
    »Alina!«, rief Maljen. Als ich herumfuhr, sah ich, dass die anderen Türen geschlossen waren, doch es waren Nitschewo’ja im Saal. Zoja und Nadjas Bruder standen vor einer Wand und hielten sich die Schattenwesen vom Leib, indem sie ihnen mit ihren Stürmerwinden Tische, Stühle und kaputte Möbel entgegenwarfen.
    Ich hob die Hände und mein Licht schoss in knisternden Wellen auf die Nitschewo’ja zu und durchschnitt einen nach dem anderen, bis alle vernichtet waren. Zoja ließ die Hände sinken. Ein Samowar stürzte laut krachend um.
    Vor jeder Tür ertönten Schaben und Stoßen. Die Nitschewo’ja schlugen ihre Krallen in das Holz, suchten nach einem Riss oder Spalt, um einzudringen. Surren und Schnarren schienen auf allen Seiten zu ertönen. Doch die Fabrikatoren hatten hervorragende Arbeit geleistet. Die Riegel würden noch eine Weile standhalten.
    Ich schaute mich um. Der Saal schwamm in Blut. Die Wände waren rot, der Steinfußboden war nass. Überall lagen Tote, kleine Berge in Purpur, Karmesinrot und Blau.
    »Gibt es noch andere Überlebende?«, fragte ich und konnte nicht verhindern, dass meine Stimme bebte.
    Zoja schüttelte kurz und benommen den Kopf. Eine ihrer Wangen war mit Blut bespritzt. »Wir aßen gerade zu Abend«, sagte sie. »Da läuteten die Glocken. Wir konnten die Türen nicht mehr rechtzeitig schließen. Sie waren einfach … überall.«
    Sergej schluchzte leise. David war kreidebleich, wirkte aber ruhig. Auch Nadja hatte es in den Saal geschafft. Sie hatte einen Arm um Adrik gelegt, der zwar zitterte, aber immer noch stolz das Kinn reckte. Drei Inferni und zwei weitere Korporalki – ein Heiler und ein Entherzer. Das waren die Reste der Zweiten Armee.
    »Hat jemand Tolja und Tamar gesehen?«, fragte ich, aber niemand bejahte. Vielleicht waren sie tot. Vielleicht hatten sie bei dieser Katastrophe ihre Hand im Spiel gehabt. Tamar war aus dem Speisesaal verschwunden. Sie konnten ebenso gut die ganze Zeit für den Dunklen gearbeitet haben.
    »Vielleicht ist Nikolaj noch nicht weg«, sagte Maljen. »Wir könnten versuchen, uns zur Eisvogel durchzuschlagen.«
    Ich schüttelte den Kopf. Wenn Nikolaj nicht rechtzeitig verschwunden war, wären er und seine Familie längst tot, möglicherweise auch Baghra. Vor meinen Augen erschien das Bild von Nikolajs Leiche, die mit dem Gesicht nach unten neben der zertrümmerten Eisvogel im See trieb.
    Nein . So durfte ich nicht denken. Ich rief mir den Eindruck in Erinnerung, den Nikolaj bei unserer ersten Begegnung auf mich gemacht hatte. Ich musste fest daran glauben, dass der listige Fuchs auch dieser Falle entronnen war.
    »Der Dunkle hat seine Truppen hier konzentriert«, sagte ich. »Wir könnten versuchen, zur Oberstadt durchzubrechen und uns von dort einen Weg freizukämpfen.«
    »Das schaffen wir nie«, sagte Sergej hoffnungslos. »Es sind zu viele.« Das stimmte. Wir hatten zwar mit dieser Situation rechnen müssen, waren jedoch davon ausgegangen, in der Überzahl zu sein und eventuell Verstärkung aus Poliznaja zu bekommen.
    In der Ferne ertönte ein rollender Donnerhall.
    »Er kommt«, stöhnte ein Inferni. »Oh, ihr Heiligen! Er kommt.«
    »Er wird uns alle töten«, flüsterte Sergej.
    »Wenn wir Glück haben«, erwiderte Zoja.
    Ihre Worte waren nicht hilfreich, trafen aber zu. Die finsteren Augenhöhlen Baghras hatten mir gezeigt, wie der Dunkle mit Verrätern verfuhr, sogar mit seiner eigenen Mutter, und ich befürchtete, dass es Zoja und den anderen noch schlimmer ergehen würde.
    Zoja versuchte das Blut von ihrem Gesicht zu wischen, verschmierte es aber nur auf der Wange. »Ich meine, dass wir versuchen sollten, die Oberstadt zu erreichen. Lieber nehme ich es draußen mit den Ungeheuern auf, als hier untätig auf den Dunklen zu warten.«
    »Unsere Chancen stehen schlecht«, sagte ich mahnend und hasste mich dafür, keine Hoffnung bieten zu können. »Ich habe nicht die Kraft, alle Gegner aufzuhalten.«
    »Die Nitschewo’ja würden uns wenigstens rasch töten«, sagte David. »Ich meine, wir sollten im Kampf sterben.« Wir drehten uns alle zu ihm um. Er wirkte selbst etwas verblüfft über seine Worte. Dann zuckte er mit den Schultern, und als

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