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Grischa, Band 2: Eisige Wellen (German Edition)

Grischa, Band 2: Eisige Wellen (German Edition)

Titel: Grischa, Band 2: Eisige Wellen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leigh Bardugo
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mich gerufen und ich bin erschienen.«
    Ich traute meinen Ohren nicht. »Du … du warst hier?«
    »Auf der Schattenflur. Im Palast. Letzte Nacht.«
    Ich errötete bei der Erinnerung daran, wie er auf mir gelegen hatte. Ich schämte mich, war aber zugleich tief erleichtert: Es waren also keine Halluzinationen gewesen.
    »Das ist unmöglich«, fauchte Maljen.
    »Du unterschätzt meine Fähigkeiten, Fährtensucher.«
    Ich schloss die Augen.
    »Alina …«
    »Ich kenne dein wahres Wesen«, sagte der Dunkle, »aber ich habe mich nie von dir abgewandt. Und ich werde es auch nie tun. Kann er das Gleiche von sich behaupten?«
    »Du kennst sie nicht«, erwiderte Maljen wütend.
    »Wenn du mit mir kommst, wird alles vorbei sein – die Angst, die Ungewissheit, das Blutvergießen. Vergiss ihn, Alina. Vergiss sie alle.«
    »Nein«, sagte ich. Doch während ich den Kopf schüttelte, schrie irgendetwas in meinem Inneren: Ja!
    Der Dunkle seufzte und warf einen Blick über die Schulter. »Komm her«, befahl er.
    Eine gebückte, in ein schweres Tuch gehüllte Gestalt schlurfte so langsam auf mich zu, als würde ihr jeder Schritt Schmerzen bereiten.
    Baghra .
    Übelkeit stieg in mir auf. Warum ist sie so dickköpfig gewesen? Warum ist sie nicht mit Nikolaj geflohen? Vielleicht hatte Nikolaj es nicht geschafft.
    Der Dunkle legte Baghra eine Hand auf die Schulter. Sie zuckte zusammen.
    »Lass sie in Ruhe«, sagte ich zornig.
    »Zeig dich«, sagte er.
    Sie wickelte das Tuch ab. Ich schnappte nach Luft. Hinter mir stöhnte jemand.
    Es war weder Baghra noch sonst jemand, den ich kannte. Die Person war von Bisswunden übersät, überall klafften schwarze Wundränder, überall hingen Hautlappen. Das war eindeutig das Werk der Nitschewo’ja . Niemand konnte so etwas heilen, nicht einmal Grischa. Dann bemerkte ich das verblasste Rot der Haare, den wunderbaren Bernsteinton ihres verbliebenen Auges.
    »Genja«, keuchte ich.
    Wir standen stumm da, überwältigt von Entsetzen. Ich wollte einen Schritt auf sie zugehen, aber David drängte sich auf den Altarstufen an mir vorbei. Genja wandte sich schwerfällig ab und wollte ihr Gesicht hinter dem Tuch verbergen.
    David verlangsamte seine Schritte. Er zögerte. Dann berührte er sie sanft an der Schulter. Ihr Rücken bebte und ich ahnte, dass sie weinte.
    Ein Schluchzen entrang sich mir und ich legte mir eine Hand vor den Mund.
    Ich war an diesem langen Tag Zeugin unzähliger Schrecken geworden, aber dies ließ mich innerlich zerbrechen – Genja, die sich wie ein verängstigtes Tier wand und duckte. Die strahlend schöne Genja mit ihrer Alabasterhaut und den zarten Händen. Die zähe Genja, die so viele Beleidigungen und Demütigungen ertragen hatte, ohne je ihren Stolz zu verlieren. Die närrische Genja, die meine Freundin hatte sein wollen und die es gewagt hatte, Gnade zu zeigen und mich entkommen zu lassen.
    David legte ihr einen Arm um die Schultern und führte sie langsam durch den Mittelgang. Der Dunkle ließ sie gehen.
    »Ich habe den Krieg geführt, zu dem du mich gezwungen hast, Alina«, sagte er. »Wärst du nicht vor mir geflohen, dann wäre die Zweite Armee nicht zerstört worden und viele Grischa wären noch am Leben. Dein Fährtensucher wäre nicht nur außer Gefahr, sondern auch froh und glücklich in seinem Regiment. Wann hast du endlich genug? Wann darf ich endlich aufhören?«
    Dir ist nicht mehr zu helfen. Deine einzige Hoffnung bestand in der Flucht. Ja, Baghra hatte Recht gehabt. Ich hatte mich überschätzt, als ich glaubte, ihn besiegen zu können, und der sinnlose Versuch hatte viele Menschen das Leben gekostet.
    »Du betrauerst die Toten in Nowokribirsk«, fuhr der Dunkle fort, »die Menschen, die von der Schattenflur verschlungen wurden. Aber was ist mit all jenen, die zuvor während der unaufhörlichen Kriege gestorben sind? Was ist mit jenen, die jetzt an fremden Gestaden sterben? Gemeinsam könnten wir all dem ein Ende setzen.«
    Einleuchtend. Vernünftig. Dieses Mal verdrängte ich seine Worte nicht. Allem ein Ende setzen.
    Aus und vorbei.
    Der Gedanke an die Niederlage hätte mich niederschmettern müssen, erfüllte mich jedoch mit sonderbarer Leichtigkeit. Hatte ich nicht die ganze Zeit insgeheim geahnt, dass es so kommen würde?
    Als der Dunkle damals im Pavillon der Grischa meinen Arm berührt hatte, hatte er Besitz von mir ergriffen. Nur war mir das nicht bewusst gewesen.
    »Einverstanden«, flüsterte ich.
    »Nein, Alina!«, sagte Maljen wütend.
    »Du

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