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Grischa, Band 2: Eisige Wellen (German Edition)

Grischa, Band 2: Eisige Wellen (German Edition)

Titel: Grischa, Band 2: Eisige Wellen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leigh Bardugo
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ab.«
    »Oh, ich kann ehrlich sein«, sagte Sturmhond und schüttelte Wasser aus einem Stiefel. »Nur bin ich nicht besonders gut darin.«
    »Sturmhond«, knurrte Maljen und ging auf ihn zu. »Du hast genau zehn Sekunden, um dich zu erklären, oder Tolja wird dir ein nagelneues Gesicht geben müssen.«
    Da kam Tamar auf die Beine. »Jemand nähert sich uns.«
    Wir verstummten und horchten. Die Geräusche erklangen im Wald, der den See umgab: das Getrappel zahlloser Hufe, das Knacken und Rascheln von Zweigen, verursacht von Männern, die zwischen den Bäumen auf uns zukamen.
    Sturmhond stöhnte. »Ich wusste, dass man uns entdeckt hat. Wir waren zu lange auf der Schattenflur.« Er seufzte. »Ein gekentertes Schiff und eine Mannschaft, die aussieht wie ein Schwarm klitschnasser Opossums. So hatte ich mir das nicht vorgestellt.«
    Ich hätte gern gewusst, was er sich stattdessen vorgestellt hatte, aber mir blieb keine Zeit zu fragen.
    Ein Reitertrupp sprengte aus dem Wald auf den Strand. Zehn … zwanzig … dreißig Soldaten der Ersten Armee. Männer des Zaren, bis an die Zähne bewaffnet. Woher kamen sie so plötzlich?
    Ich hatte geglaubt, nach dem Abschlachten der Volkra und der Bruchlandung keine Angst mehr zu haben, aber ich irrte mich. Bei dem Gedanken an das, was Maljen von seiner Desertion erzählt hatte, überkam mich Panik. Würde man uns als Verräter verhaften? Meine Finger zuckten. Ich würde mich nicht noch einmal in Ketten legen lassen.
    »Ganz ruhig, Sonnenkriegerin«, flüsterte der Freibeuter. »Lass mich das machen.«
    »Warum, Sturmhond? Weil du bislang alles so gut gemacht hast?«
    »Es wäre weise, wenn du mich vorübergehend nicht mit diesem Namen anreden würdest.«
    »Und wieso nicht?«, zischte ich.
    »Weil ich so nicht heiße.«
    Die Soldaten zügelten dicht vor uns ihre Pferde. Ihre Säbel und Gewehre schimmerten in der Morgensonne. Ein junger Hauptmann zog blank. »Im Namen des Zaren von Rawka – legt die Waffen nieder.«
    Sturmhond trat vor und stellte sich zwischen die Feinde und seine angeschlagene Mannschaft. Er hob zum Zeichen seiner friedlichen Absicht die Hände. »Unsere Waffen liegen auf dem Grund des Sees. Wir sind unbewaffnet.«
    Nach allem, was ich über ihn und die Zwillinge wusste, bezweifelte ich das sehr stark.
    »Nenn mir deinen Namen und erklär mir, was ihr hier zu schaffen habt«, befahl der junge Hauptmann.
    Sturmhond schälte sich langsam aus seinem Militärmantel und reichte ihn Tolja.
    Unter den Soldaten machte sich Unruhe breit. Sturmhond trug eine Uniform aus Rawka. Er war nass bis auf die Haut, aber das matte Oliv und die Messingknöpfe der Ersten Armee waren unverkennbar – ebenso der goldene Doppeladler, der einen Offizier kennzeichnete. Was führte der Freibeuter im Schilde?
    Ein älterer Mann zwängte sein Pferd durch die Reihen und riss es vor Sturmhond herum. Zu meinem Schrecken erkannte ich Oberst Rajewski, den Kommandanten des Stützpunktes in Kribirsk. Waren wir so dicht bei der Stadt abgestürzt? War das der Grund dafür, dass die Soldaten so rasch zur Stelle gewesen waren?
    »Raus mit der Sprache!«, befahl der Oberst. »Name und Absichten, oder du bist die Uniform los und wirst hier und jetzt an einem hohen Ast aufgeknüpft.«
    Sturmhond wirkte unbesorgt, und als er sprach, hatte seine Stimme einen ungewohnten Klang. »Ich bin Nikolaj Lantsow, Major im zweiundzwanzigsten Regiment, Soldat der Armee des Zaren und zweiter Sohn Seiner hochwohlgeborenen Majestät, Zar Alexanders des Dritten, Herrscher auf dem Thron des Doppeladlers. Mögen sein Leben und seine Regentschaft lange währen.«
    Mir stand der Mund offen. Eine Welle der Verblüffung ging durch die Reihen der Soldaten, und weiter hinten erhob sich nervöses Gekicher. Schwer zu sagen, welchen Scherz dieser Wahnsinnige sich hier erlaubte, aber Rajewski wirkte ganz und gar nicht amüsiert. Er sprang vom Pferd und warf die Zügel einem Soldaten zu.
    »Jetzt hör mir mal gut zu, du unverschämter Bursche«, sagte er, als er mit einer Hand am Säbel auf Sturmhond zustapfte, das wettergegerbte Gesicht zur wütenden Grimasse verzerrt. »Nikolaj Lantsow hat unter meinem Befehl an der Nordgrenze gedient, und …«
    Er verstummte. Er stand jetzt unmittelbar vor dem Freibeuter, aber Sturmhond zuckte mit keiner Wimper. Der Oberst öffnete den Mund, dann schloss er ihn wieder. Er trat einen Schritt zurück, musterte Sturmhonds Gesicht. Seine Miene zeigte erst Wut, dann Unglaube und am Ende etwas, das man

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