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Grischa: Goldene Flammen

Grischa: Goldene Flammen

Titel: Grischa: Goldene Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leigh Bardugo
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und ich war mir sicher, dass alle das laute Pochen meines Herzens hören konnten. Vor dem schwarzen Pavillon hatten sich mehrere Korporalki und Höflinge um einen Tisch versammelt, Letztere in prachtvollen Gewändern, auf denen der Doppeladler des Zaren prangte. Am Kopfende des Tisches stand ein Stuhl aus tiefdunklem Ebenholz mit hoher Rückenlehne und vielen Schnitzereien, auf dem eine Gestalt in schwarzer Kefta saß, das Kinn auf eine bleiche Hand gestützt. Nur ein einziger Grischa trug Schwarz, durfte Schwarz tragen. Oberst Rajewski trat neben ihn und flüsterte ihm etwas ins Ohr.
    Ich konnte den Blick nicht von der Gestalt lösen, schwankte zwischen Furcht und Faszination. Dieser Dunkle hatte die Grischa schon vor meiner Geburt befehligt, und trotzdem wirkte der Mann, der vor mir auf dem Podest thronte, nicht viel älter als ich. Sein Gesicht war schön und markant, er hatte volles schwarzes Haar und klare graue, wie Quarz glänzende Augen. Es hieß, die mächtigsten Grischa lebten sehr lange, und der Dunkle war der mächtigste von allen. Doch ich spürte das Widernatürliche daran und erinnerte mich an Ewas Worte: Er ist kein Sterblicher. Genau wie sie alle.
    In der Menge, die sich in meiner Nähe gebildet hatte, ertönte ein hohes, helles Lachen. Ich erkannte die schöne, in Blau gekleidete junge Frau wieder, die Maljen aus der Kutsche der Ätheralki mit einem bewundernden Blick bedacht hatte. Sie flüsterte einer Freundin mit kastanienbraunem Haar etwas zu, woraufhin beide wieder lachten. Meine Wangen brannten, als ich mir vorstellte, wie ich nach der Fahrt auf der Schattenflur und dem Kampf gegen Schwärme hungriger Volkra in meinem dreckigen und zerfetzten Mantel aussah. Trotzdem blickte ich der schönen jungen Frau erhobenen Hauptes in die Augen. Lach nur, dachte ich grimmig. Was du auch tuschelst, ich habe schon Schlimmeres gehört. Sie hielt kurz meinem Blick stand, dann sah sie weg. Das erfüllte mich mit Genugtuung, aber die Stimme von Oberst Rajewski holte mich zurück auf den Boden der Tatsachen.
    Â»Bringt sie her«, befahl er. Ich drehte mich um und erblickte weitere Soldaten, die eine verstörte und zerlumpte Schar von Leuten hereinführten. Ich erkannte den Soldaten wieder, der beim Angriff des Volkra neben mir gestanden hatte, und ich sah den verängstigt dreinschauenden Obersten Kartografen, dessen Mantel ungewöhnlich schmutzig und zerrissen war. Als mir bewusst wurde, dass es sich um die Überlebenden meines Sandskiffs handelte, die man dem Dunklen offenbar als Zeugen vorführte, bekam ich noch mehr Angst. Was war auf der Schattenflur passiert? Was wurde mir vorgeworfen?
    Beim Anblick der Fährtenleser stockte mir der Atem. Zuerst sah ich den stiernackigen Michail, der mit seinem wirren roten Haarschopf alle anderen überragte, und dann Maljen. Er wurde von Michail gestützt, wirkte sehr bleich und müde und unter seinem blutigen Hemd waren Verbände zu erkennen. Ich bekam weiche Knie und drückte eine Hand vor den Mund, um ein Schluchzen zu unterdrücken.
    Maljen war am Leben. Ich war so erleichtert, dass ich mich am liebsten durch die Menge gedrängt und ihn umarmt hätte, aber ich durfte mich nicht vom Fleck rühren. Was auch immer hier vor sich ging, uns würde nichts geschehen. Wir hatten die Schattenflur überlebt, und diesen Irrsinn würden wir auch überstehen.
    Doch als ich wieder zum Podest blickte, schwand meine Zuversicht. Der Dunkle musterte mich unverhohlen. Er lauschte immer noch Oberst Rajewski und saß nach wie vor sehr entspannt da, aber sein Blick war brennend und eindringlich. Er wandte seine Aufmerksamkeit wieder dem Oberst zu und ich merkte, dass ich den Atem angehalten hatte.
    Sobald die arg mitgenommenen Überlebenden vor dem Podest standen, befahl Oberst Rajewski: »Berichten Sie, Kapitän.«
    Der Kapitän nahm Haltung an und antwortete tonlos: »Wir waren gut dreißig Minuten auf der Schattenflur unterwegs, als uns ein großer Schwarm Volkra angriff. Wir wurden heftig bedrängt und erlitten schwere Verluste. Ich kämpfte auf der Steuerbordseite des Skiffs. Dann sah ich plötzlich …« Der Mann kam ins Stocken, und als er wieder ansetzte, klang er unsicher. »Ich weiß nicht genau, was ich sah. Es war ein greller Blitz. Heller als der Mittag. Als würde man direkt in die Sonne schauen.«
    In der Menge wurde Gemurmel laut. Die

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