Grischa: Goldene Flammen
trug die purpurne Kefta der Materialki, die zum Orden der Fabrikatoren gehörten. »Man erzählt sich Geschichten â¦Â«
»Mach dich nicht lächerlich«, unterbrach ihn die junge Frau mit verächtlichem Lachen. »Die Volkra haben diesen Mann ganz offensichtlich vollkommen verwirrt!«
Die Menge begann lautstark zu diskutieren.
Ich war plötzlich todmüde. Meine Schulter, in die der Volkra seine Klauen geschlagen hatte, pochte wieder. Ich wusste nicht, was der Kartograf und die anderen auf dem Skiff gesehen zu haben glaubten. Ich wusste nur, dass es sich um einen schrecklichen Irrtum handelte und dass ich am Ende dieser Farce ziemlich dumm dastehen würde. Bei dem Gedanken an den Spott, der sich über mich ergieÃen würde, sobald alles vorbei war, wand ich mich innerlich. Und hoffentlich war bald alles vorbei.
»Ruhe.« Der Dunkle hob seine Stimme nur unmerklich, aber sein Befehl brachte die Menge sofort zum Verstummen.
Ich unterdrückte einen Schauder. Er fand diese Farce ganz sicher nicht lustig. Ich konnte nur hoffen, dass er nicht mir die Schuld daran gab. Der Dunkle war nicht unbedingt für seine Gnade bekannt. Vielleicht sollte ich mich weniger wegen des Spotts, sondern eher wegen einer Verbannung nach Tsibeja sorgen. Oder noch schlimmer. Ewa hatte erzählt, dass der Dunkle einmal einem Heiler der Korporalki befohlen hatte, den Mund eines Verräters für immer zu verschlieÃen. Die Lippen des Mannes wurden versiegelt und daraufhin verhungerte er. Damals hatten Alexej und ich nur gelacht und die Sache als eine typische Spinnerei Ewas abgetan, aber inzwischen war ich mir da nicht mehr so sicher.
»Fährtenleser«, sagte der Dunkle leise, »was hast du gesehen?«
Die Menge drehte sich wie auf Befehl zu Maljen um, der erst mich und danach den Dunklen unsicher ansah. »Nichts. Ich habe gar nichts gesehen.«
»Das Mädchen stand direkt neben dir.«
Maljen nickte.
»Du musst etwas gesehen haben.«
Maljen warf mir wieder einen Blick zu. Er wirkte besorgt und erschöpft. Ich hatte ihn noch nie so bleich erlebt und fragte mich, wie viel Blut er verloren hatte. Ich spürte, wie hilflose Wut in mir aufwallte. Maljen war schwer verwundet. Er stand hier und musste absurde Fragen beantworten, obwohl er sich besser ausruhen sollte.
»Woran kannst du dich erinnern, Fährtenleser?«, herrschte Rajewski ihn an.
Maljen zuckte mit den Schultern. Ich konnte ihm ansehen, wie weh die Bewegung tat. »Ich lag auf dem Rücken an Deck. Alina stand neben mir. Ich sah, wie sich der Volkra auf uns stürzte, und ich wusste, dass er es auf uns abgesehen hatte. Ich sagte etwas und â¦Â«
»Was hast du gesagt?« Die unterkühlte Stimme des Dunklen durchschnitt den Raum.
»Das habe ich vergessen«, antwortete Maljen. Er schob den Unterkiefer trotzig nach vorn und ich wusste, dass er log. Er hatte seine Worte nicht vergessen. »Ich roch den Volkra und sah, wie er über uns herfiel. Alina schrie und dann war ich wie geblendet. Die ganze Welt war ⦠gleiÃend hell.«
»Du hast also nicht gesehen, wer oder was die Quelle des Lichts war?«, fragte Rajewski.
»Alina ist nicht ⦠Sie könnte nie â¦Â« Maljen schüttelte den Kopf. »Wir stammen aus demselben ⦠Dorf.« Ich bemerkte sein kurzes Zögern, das Zögern eines Waisenkindes. »Wenn sie zu so etwas fähig wäre, wüsste ich das längst.«
Der Dunkle musterte Maljen lange. Dann wandte er sich wieder an mich.
»Ein jeder hat sein Geheimnis«, sagte er.
Maljen öffnete den Mund, als wollte er etwas hinzufügen, aber der Dunkle gebot ihm mit einer Handbewegung zu schweigen. Eine Welle des Zorns überflog Maljens Gesicht, doch er schloss den Mund und presste die Lippen zu einem grimmigen Strich zusammen.
Der Dunkle erhob sich vom Stuhl. Auf seinen Wink traten die Soldaten zurück, so dass ich ihm allein gegenüberstand. Im Zelt herrschte eine unheimliche Stille. Der Dunkle ging langsam die Stufen hinunter.
Als er vor mir stand, musste ich gegen den Drang ankämpfen, vor ihm zurückzuweichen.
»Und was sagst du , Alina Starkowa?«, fragte er mit freundlicher Stimme.
Ich schluckte. Meine Kehle war trocken, mein Herz raste. Trotzdem musste ich antworten. Ich musste ihm klarmachen, dass ich mit alledem nichts zu tun gehabt hatte. »Hier muss ein Irrtum vorliegen«, sagte ich heiser.
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