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Grischa: Goldene Flammen

Grischa: Goldene Flammen

Titel: Grischa: Goldene Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leigh Bardugo
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»Ich habe nichts getan. Ich weiß nicht, wie wir das überlebt haben.«
    Der Dunkle schien über meine Worte nachzudenken. Dann verschränkte er die Arme vor der Brust und legte den Kopf zur Seite. »Tja«, sagte er amüsiert. »Ich bilde mir ein, über alles informiert zu sein, was sich in Rawka zuträgt. Falls es in unserem Land eine Sonnenkriegerin gibt, müsste ich das wissen.« In der Menge erhob sich zustimmendes Gemurmel. Er beachtete es nicht und sah mich weiter scharf an. »Trotzdem hat irgendetwas den Volkra aufgehalten und die Skiffs des Zaren gerettet.«
    Er verstummte, als würde er erwarten, dass ich dieses Rätsel für ihn löste.
    Ich hob trotzig das Kinn. »Ich habe nichts getan«, sagte ich. »Rein gar nichts.«
    Ein Mundwinkel des Dunklen zuckte, als müsste er sich ein Lächeln verkneifen. Er musterte mich wieder von Kopf bis Fuß. Ich kam mir vor wie eine Kuriosität, die am Ufer eines Sees angespült worden war und die er mit einem Stiefeltritt aus dem Weg befördern konnte.
    Â»Ist deine Erinnerung ebenso lückenhaft wie die deines Freundes?«, fragte er und nickte in Maljens Richtung.
    Â»Ich kann mich nicht …« Ich verstummte. Woran konnte ich mich erinnern? Blankes Entsetzen. Finsternis. Schmerz. Maljens Blut. Sein Leben, das ihm unter meinen Händen entströmte. Die Wut, die mich bei dem Gedanken an meine Hilflosigkeit erfüllt hatte.
    Â»Streck deinen Arm aus«, sagte der Dunkle.
    Â»Wie bitte?«
    Â»Wir haben genug Zeit vergeudet. Streck deinen Arm aus.«
    Angst durchzuckte mich. Ich sah mich panisch um, aber niemand konnte mir helfen. Die Soldaten starrten reglos geradeaus. Die Überlebenden des Skiffs waren müde und verängstigt. Die Grischa betrachteten mich neugierig. Die junge Frau in der blauen Kefta grinste. Maljen wirkte noch bleicher als zuvor und sein besorgter Blick verriet mir, dass auch er ratlos war.
    Ich streckte zitternd den linken Arm aus.
    Â»Ã„rmel hochkrempeln.«
    Â»Ich habe nichts getan.« Ich hatte das laut sagen wollen, damit alle es hörten, aber es klang leise und furchtsam.
    Der Dunkle starrte mich an. Er wartete. Ich krempelte den Ärmel hoch.
    Er breitete die Arme aus und ich sah entsetzt, wie sich seine Handflächen mit etwas Schwarzem füllten, das in der Luft wogte und waberte wie Tinte in Wasser.
    Â»Also gut«, sagte er so nebensächlich, als würden wir uns bei einer Tasse Tee unterhalten. »Stellen wir deine Fähigkeiten auf die Probe.«
    Er klatschte in die Hände. Es hallte wie ein Donnerschlag und im nächsten Moment wurde alles von einer schwarzen Wolke verhüllt.
    Ich war wie geblendet. Der Raum existierte nicht mehr. Nichts existierte mehr. Ich schrie entsetzt auf, als ich spürte, wie sich die Finger des Dunklen um mein Handgelenk schlossen. Kurz darauf verflog meine Angst. Sie war zwar noch vorhanden, kauerte sich wie ein Tier in mir zusammen, wurde jedoch von einer Macht in Schach gehalten, von einer stillen Gewissheit, die mir irgendwie vertraut vorkam.
    Ich merkte, wie ein Ruf in meinem Inneren erschallte, und ich spürte zu meiner Verblüffung, dass sich eine Antwort in mir regte. Ich verdrängte sie, unterdrückte sie. Ich ahnte, dass mich das, was sich in meinem Inneren regte, zerstören würde, wenn ich ihm freien Lauf ließ.
    Â»Ist da nichts?«, murmelte der Dunkle. Mir wurde bewusst, wie nahe er in der Finsternis vor mir stand. In meiner Panik wiederholte ich diese Worte insgeheim. Da ist nichts. Sehr richtig. Da ist gar nichts. Lass mich endlich in Ruhe!
    Zu meiner Erleichterung flaute mein innerer Aufruhr ab, ohne dass ich den Ruf des Dunklen beantwortet hatte.
    Â»Nicht so hastig«, flüsterte er. Ich spürte, wie sich etwas Kaltes gegen die Innenseite meines Unterarms drückte, und dann wurde mir bewusst, dass es ein Messer war, dessen Klinge in meine Haut schnitt.
    Schmerz und Angst durchbrausten mich. Ich schrie auf. Das Ding in meinem Inneren schoss ungestüm an die Oberfläche, um auf den Ruf des Dunklen zu antworten. Ich konnte mich nicht mehr bremsen. Ich antwortete. Plötzlich war alles von einem grellweißen Licht erfüllt.
    Ringsumher zerbrach die Dunkelheit wie Glas und ich sah die Gesichter der Menge. Alle rissen erschrocken den Mund auf, als sich das Zelt mit hellem Sonnenlicht und hitzeflirrender Luft füllte. Dann ließ mich der Dunkle los. Die

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