Grischa: Goldene Flammen
mir ins Innere. Dann lieà er sich auf die gegenüberliegende Sitzbank fallen. Die anderen Korporalki stiegen ebenfalls ein und die Wächter der Opritschki nahmen mich in die Mitte.
»Ich bin also die Gefangene des Dunklen?«
»Du stehst unter seinem Schutz.«
»Wo ist da der Unterschied?«
Iwans Gesichtsausdruck war unergründlich. »Bete, dass du das nie herausfindest.«
Ich zog eine Grimasse und sank auf die Polsterbank. Dann zischte ich vor Schmerz. Ich hatte meine Wunden vergessen.
»Kümmere dich um sie«, sagte Iwan zu der Korporalnik, deren Ãrmelaufschläge im Grau der Heiler verziert waren.
Die Frau tauschte ihren Platz mit einem der Opritschki, um neben mir sitzen zu können.
Ein Soldat steckte den Kopf zur Tür herein. »Wir sind so weit«, sagte er.
»Gut«, erwiderte Iwan. »Wir fahren los. Seid wachsam.«
»Wir halten nur, um die Pferde zu wechseln. Wenn wir die Fahrt vorher unterbrechen, wisst Ihr, dass etwas nicht stimmt.«
Der Soldat schloss die Tür und verschwand. Der Kutscher verlor keine Zeit. Er spornte die Pferde mit einem Schrei und einem Peitschenknall an und die Kutsche setzte sich ruckelnd in Bewegung. Mich erfüllte ein eisiges Gefühl der Panik. Was hatten sie mit mir vor? Ich überlegte, die Kutschentür aufzustoÃen und wegzurennen. Aber wohin sollte ich fliehen? Wir befanden uns in einem Militärlager und waren von Bewaffneten umringt. Und selbst wenn dem nicht so wäre â wohin sollte ich mich wenden?
»Bitte zieh deinen Mantel aus«, sagte die neben mir sitzende Frau.
»Was?«
»Ich muss deine Wunden untersuchen.«
Ich dachte daran, mich zu weigern, aber welchen Sinn hätte das gehabt? Also schälte ich mich umständlich aus dem Mantel und lieà zu, dass die Heilerin mir das Hemd von den Schultern zog. Die Korporalki waren der Orden der Lebenden und der Toten. Ich versuchte, mich auf die Lebenden zu konzentrieren, aber da ich noch nie von einer Grischa geheilt worden war, verkrampfte sich jeder Muskel meines Körpers vor Angst.
Sie holte etwas aus einem Beutel. Die Kutsche wurde von einem beiÃenden Geruch erfüllt. Ich zuckte zusammen, als sie die Wunden zu reinigen begann, und grub die Fingernägel in meine Knie. Nachdem sie fertig war, prickelte es heià zwischen meinen Schultern. Ich biss mir auf die Lippe, denn ich verspürte den überwältigenden Drang, mich am Rücken zu kratzen. SchlieÃlich hörte sie auf und zog mein Hemd wieder hoch. Ich lieà vorsichtig die Schultern kreisen. Der Schmerz war verflogen.
»Jetzt der Arm«, sagte sie.
Ich hatte den Schnitt, den mir der Dunkle mit dem Messer zugefügt hatte, schon fast vergessen, aber Handgelenk und Hand waren klebrig von Blut. Die Heilerin strich langsam über die Wunde. Meine Haut pochte vor Hitze. Dann juckte mein Arm wie verrückt und ich sah verblüfft zu, wie meine Haut erglänzte und sich regte â beide Seiten des Schnitts näherten sich einander an, bis sich die Wunde geschlossen hatte.
Das Jucken schwand und die Heilerin lehnte sich zurück. Ich befühlte meinen Arm. An Stelle des Schnitts befand sich dort nun eine leicht erhabene Narbe, mehr aber nicht.
»Vielen Dank«, sagte ich ehrfürchtig.
Die Heilerin nickte.
»Gib ihr deine Kefta«, sagte Iwan zu ihr.
Die Frau runzelte die Stirn. Nach kurzem Zögern schälte sie sich aus ihrer roten Kefta und reichte sie mir.
»Wozu brauche ich die?«, fragte ich.
»Zieh sie einfach an«, knurrte Iwan.
Ich nahm die Kefta von der Heilerin entgegen. Sie verzog keine Miene, aber ich ahnte, dass sie sich nur sehr ungern davon trennte.
Ich überlegte noch, ihr meinen blutigen Mantel anzubieten, als Iwan gegen das Dach pochte. Die Kutsche wurde langsamer. Die Heilerin öffnete die Tür und schwang sich im Fahren hinaus.
»Wohin will sie?«, fragte ich.
»Zurück nach Kribirsk«, antwortete Iwan. »Mit weniger Gewicht sind wir schneller.«
»Ihr seid bestimmt schwerer als sie«, murmelte ich.
»Zieh die Kefta an«, sagte er.
»Warum?«
»Sie ist mit dem Stahlstoff der Korporalki durchwirkt und hält Gewehrfeuer stand.«
Ich starrte ihn an. War so etwas möglich? Man erzählte sich zwar Geschichten über Grischa, die tödliche Schüsse überlebt hatten, aber das hatte ich nie ernst genommen. Ob sich hinter diesen Legenden die
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