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Grischa: Goldene Flammen

Grischa: Goldene Flammen

Titel: Grischa: Goldene Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leigh Bardugo
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den Zugang zu den Häfen verwehrt, uns die Luft zum Atmen genommen, uns geschwächt. Wenn du wirklich eine Sonnenkriegerin bist, kann deine Macht der Schlüssel sein, der die Schattenflur öffnet oder sogar zerstört. Und in diesem Fall werden weder die Fjerdan noch die Shu-Han untätig bleiben.«
    Ich starrte ihn mit offenem Mund an. Was erwarteten diese Leute von mir? Und was würden sie mir antun, wenn ich ihre Erwartungen enttäuschte? »Das ist ja lächerlich«, murmelte ich.
    Fedjor musterte mich von Kopf bis Fuß. Dann lächelte er leise. »Vielleicht«, sagte er.
    Ich runzelte die Stirn. Er hatte mir zwar nicht widersprochen, aber ich war trotzdem beleidigt.
    Â»Wie hast du sie verborgen?«, fragte Iwan unvermittelt.
    Â»Was?«
    Â»Deine Macht«, sagte er ungeduldig. »Wie hast du sie verbergen können?«
    Â»Ich habe sie nicht verborgen. Ich hatte keine Ahnung, dass ich sie besitze.«
    Â»Das ist unmöglich.«
    Â»Kann sein. Aber so ist es nun einmal«, sagte ich bitter.
    Â»Haben sie dich nicht auf die Probe gestellt?«
    Eine Erinnerung flackerte auf: drei in Keftas gewandete Gestalten im großen Salon in Keramzin, die hochmütige Stirn einer Frau.
    Â»Natürlich haben sie mich auf die Probe gestellt.«
    Â»In welchem Alter?«
    Â»Mit acht.«
    Â»Das ist sehr spät«, bemerkte Iwan. »Warum haben dich deine Eltern nicht schon früher prüfen lassen?«
    Weil sie tot waren, dachte ich. Und weil die Waisenkinder von Herzog Keramsow keine Beachtung fanden. Aber ich sagte nichts, sondern zuckte nur mit den Schultern.
    Â»Das ist doch Blödsinn«, brummte Iwan.
    Â»Genau das meine ich auch!« Ich beugte mich vor und sah verzweifelt von Iwan zu Fedjor. »Ihr täuscht euch in mir. Ich bin keine Grischa. Was auf der Schattenflur passiert ist … Ich weiß nicht, was dort passiert ist, aber ich hatte auf keinen Fall etwas damit zu tun.«
    Â»Und was ist im Zelt der Grischa geschehen?«, fragte Fedjor gelassen.
    Â»Das weiß ich auch nicht. Ich war es jedenfalls nicht. Der Dunkle hat irgendetwas getan, als er mich berührte.«
    Iwan lachte. »Er hat nichts getan . Er ist ein Kräftemehrer.«
    Â»Ein was?«
    Fedjor und Iwan tauschten wieder einen Blick.
    Â»Vergesst es«, fauchte ich. »Ist mir sowieso egal.«
    Iwan griff in seinen Kragen und zog eine silberne Kette hervor. Er hielt sie mir hin.
    Meine Neugier gewann die Oberhand und ich rutschte nach vorn, um besser sehen zu können. Der Anhänger der Kette sah aus wie dicht zusammengedrängte schwarze Klauen.
    Â»Was ist das?«
    Â»Mein Kräftemehrer«, antwortete Iwan stolz. »Die Klauen der Vorderpfote eines Kodiakbären. Ich habe ihn nach meinem Eintritt in den Dienst des Dunklen selbst erlegt.« Er lehnte sich zurück und steckte die Kette wieder unter den Kragen.
    Â»Ein Kräftemehrer verstärkt die Macht eines Grischa«, erklärte Fedjor. »Vorausgesetzt, diese Macht ist vorhanden.«
    Â»Trägt jeder Grischa so etwas bei sich?«
    Fedjor erstarrte. »Nein«, sagte er. »Kräftemehrer sind erstens selten und zweitens schwer zu finden.«
    Â»Nur die Grischa, die der Dunkle am meisten schätzt, besitzen einen«, sagte Iwan selbstgefällig.
    Ich bereute meine Frage.
    Â»Der Dunkle ist ein leibhaftiger Kräftemehrer«, erklärte Fedjor. »Und das hast du gespürt.«
    Â»Wie diese Klauen? Ist das seine Macht?«
    Â» Eine seiner Mächte«, berichtigte mich Iwan.
    Ich schlang die Kefta enger um mich, denn ich fror plötzlich. Ich erinnerte mich an die Gewissheit, die mich während der Berührung des Dunklen durchströmt hatte, an das seltsam vertraute Gefühl eines inneren Rufes, der nach einer Antwort verlangte. Das war sowohl beglückend als auch beängstigend gewesen. In jenem Moment waren alle meine Sorgen und Ängste durch eine unerschütterliche Gewissheit ersetzt worden. Ich war ein Niemand, ein Flüchtling aus einem namenlosen Dorf, ein tollpatschiges, mageres Mädchen, das allein durchs Leben irrte. Doch als der Dunkle seine Finger um mein Handgelenk gelegt hatte, war ich über mich hinausgewachsen. Ich schloss die Augen, versuchte mich zu konzentrieren und noch einmal das Gefühl der Gewissheit in mir zu wecken, die vollendete, zielgerichtete Macht wieder zu strahlendem Leben zu erwecken. Vergeblich.
    Ich seufzte und

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