Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Grischa: Goldene Flammen

Grischa: Goldene Flammen

Titel: Grischa: Goldene Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leigh Bardugo
Vom Netzwerk:
Handwerkskunst der Fabrikatoren verbarg?
    Â»Tragt Ihr alle diesen Stoff?«, fragte ich, als ich mir die Kefta anzog.
    Â»Nur im Feld«, antwortete ein Opritschnik. Ich erschrak, weil zum ersten Mal einer der Wächter gesprochen hatte.
    Â»Man muss sich allerdings vor Kopfschüssen in Acht nehmen«, fügte Iwan mit herablassendem Grinsen hinzu.
    Ich ging nicht darauf ein. Die Kefta war mir viel zu groß. Sie war zwar mit weichem Pelz gefüttert, aber schwer und insgesamt sehr gewöhnungsbedürftig. Ich biss mir auf die Unterlippe. War es nicht ungerecht, dass Grischa und Opritschki Stahlstoff trugen, die gemeinen Soldaten aber nicht? Waren unsere Offiziere vielleicht auch damit ausgerüstet?
    Die Kutsche gewann an Fahrt. Inzwischen war die Dämmerung angebrochen und wir hatten Kribirsk weit hinter uns gelassen. Ich beugte mich vor, um aus dem Fenster zu schauen, aber draußen herrschte ein trübes Zwielicht. Wieder stiegen Tränen in mir auf, aber ich drängte sie blinzelnd zurück. Vor wenigen Stunden war ich noch ein verängstigtes Mädchen auf dem Weg ins Unbekannte gewesen, hatte aber wenigstens gewusst, wer ich war. Ich musste an das Dokumentenzelt denken. Die anderen Überlebenden waren jetzt sicher bei der Arbeit. Ob sie Alexej betrauerten? Ob sie über mich sprachen und über das, was sich auf der Schattenflur zugetragen hatte?
    Ich umklammerte den Armeemantel, den ich auf meinem Schoß zusammengeknüllt hatte. Ich träumte bestimmt oder litt an einer von den Schrecken der Schattenflur ausgelösten Wahnvorstellung, denn ich konnte unmöglich die Kefta einer Grischa tragen und in der Kutsche des Dunklen sitzen – derselben Kutsche, die mich gestern fast überfahren hätte.
    Eine Lampe wurde entfacht und in ihrem flackernden Schein sah ich mich in der Kutsche um. Die Wände waren mit Seide bespannt, die Polstersitze mit dickem schwarzem Samt bezogen. Auf die Fensterscheiben hatte man das Zeichen des Dunklen graviert: zwei einander überschneidende Kreise, die Sonne bei einer Sonnenfinsternis.
    Die beiden Grischa, die mir gegenübersaßen, betrachteten mich mit unverhohlener Neugier. Ihre roten Keftas aus feinster Wolle waren mit üppigen schwarzen Stickereien geschmückt, die Säume mit schwarzem Pelz besetzt. Der blonde Entherzer war schlaksig, sein Gesicht lang und melancholisch. Iwan war größer und breiter, hatte wellige braune Haare und sonnengebräunte Haut. Nun, da ich ihn genauer betrachtete, musste ich zugeben, dass er recht gut aussah. Und das weiß er. Ein großer, hübscher Bluthund.
    Ich rutschte unbehaglich auf dem Sitz hin und her, weil sie mich nicht aus den Augen ließen. Ich schaute aus dem Fenster, sah aber nur Dunkelheit und mein Spiegelbild. Ich drehte mich wieder zu den Grischa und versuchte, meine Irritation zu unterdrücken. Sie starrten mich immer noch an. Ich rief mir in Erinnerung, dass diese Männer das Herz in meiner Brust platzen lassen konnten, aber irgendwann hielt ich es trotzdem nicht mehr aus.
    Â»Ich trickse nicht«, fauchte ich.
    Die Grischa tauschten einen Blick.
    Â»Dein Trick im Zelt war aber ziemlich gut«, erwiderte Iwan.
    Ich verdrehte die Augen. »Ich warne euch rechtzeitig, falls ich irgendetwas Aufregendes plane. Ihr könnt also gern ein Nickerchen halten.«
    Iwan wirkte beleidigt. Ich verspürte einen Anflug von Furcht, aber der blonde Korporalnik musste bellend lachen.
    Â»Ich bin Fedjor«, sagte er. »Und dies ist Iwan.«
    Â»Ich weiß«, erwiderte ich. Dann hatte ich plötzlich Ana Kujas missbilligenden Blick vor Augen und fügte hinzu: »Ich bin sehr erfreut, eure Bekanntschaft zu machen.«
    Sie sahen einander amüsiert an. Ich kümmerte mich nicht um sie, sondern versuchte es mir auf meinem Platz gemütlich zu machen. Keine leichte Aufgabe, denn ich war zwischen zwei schwer bewaffneten Wächtern eingezwängt.
    Die Kutsche rumpelte über einen Huckel und raste weiter.
    Â»Ist das nicht gefährlich?«, fragte ich. »Nachts zu reisen?«
    Â»Schon«, antwortete Fedjor. »Aber ein Halt wäre noch viel gefährlicher.«
    Â»Weil jetzt irgendwer hinter mir her ist?«, fragte ich beißend.
    Â»Jetzt vielleicht noch nicht. Aber ganz sicher bald.«
    Ich schnaubte. Fedjor zog die Augenbrauen hoch und sagte: »Die Schattenflur hat seit Hunderten von Jahren die Arbeit unserer Feinde getan, hat uns

Weitere Kostenlose Bücher