Grischa: Goldene Flammen
Zügel in die linke Hand und zog den Handschuh von der rechten. Ich erstarrte, als er seine bloÃe Hand unter mein Haar schob und auf meinen Nacken legte. Meine Ãberraschung wich tiefer Gelassenheit. Auf einmal erfüllten mich wieder Gewissheit und Macht. Er spornte das Pferd zum Trab an, ohne die Hand von meinem Nacken zu nehmen. Ich schloss die Augen und versuchte, nicht mehr nachzudenken. Trotz des Schaukelns im Sattel und trotz der Schrecken, die ich an diesem Tag erlebt hatte, fiel ich bald in einen unruhigen Schlaf.
Die nächsten paar Tage verstrichen wie in einem Nebel aus Erschöpfung und Mühsal. Wir hielten uns vom Vy fern und folgten NebenstraÃen und schmalen Jagdpfaden, ritten so schnell, wie es das hügelige und oft nicht ganz ungefährliche Gelände erlaubte. Ich wusste schon bald nicht mehr, wo wir uns befanden oder wie weit wir geritten waren.
Vom zweiten Tag an saà ich allein auf einem Pferd, war mir aber stets bewusst, wo im Reitertrupp sich der Dunkle befand. Er sprach mich nicht mehr an und nach einiger Zeit begann ich mich zu fragen, ob ich ihn irgendwie beleidigt hatte. (Wir hatten zwar nur wenige Worte gewechselt, aber vielleicht war er empfindlich.) Er betrachtete mich hin und wieder mit einem kühlen, rätselhaften Blick.
Ich war nie eine besonders gute Reiterin gewesen und das Tempo, das der Dunkle vorlegte, forderte bald seinen Tribut. Irgendwo tat immer etwas weh, egal, wie ich mich im Sattel hinsetzte. Ich starrte die zuckenden Ohren des Pferdes an und versuchte, nicht an meine prickelnden Beine oder das Pochen im Kreuz zu denken. Am fünften Abend legten wir eine Rast auf einem verlassenen Bauernhof ein. Ich wäre vor Freude am liebsten vom Pferd gesprungen, war aber so steif, dass ich vom Sattel rutschen musste. Ich dankte dem Soldaten, der mein Pferd versorgte, und stakste dann zu einem Bach, der am FuÃe eines Hügels leise plätschernd dahinfloss.
Am Ufer fiel ich zitternd auf die Knie und wusch Gesicht und Hände im kalten Wasser. Während der letzten paar Tage hatte sich die Luft verändert. Der strahlende Herbsthimmel war jetzt trüb und grau. Die Soldaten gingen offenbar davon aus, dass wir Os Alta erreichten, bevor sich das Wetter weiter verschlechterte. Und was dann? Was würde nach meiner Ankunft im Kleinen Palast mit mir geschehen? Welche Folgen hätte es, wenn ich nicht vollbrachte, was man von mir verlangte? Einen Zaren zu enttäuschen war nicht klug, und das Gleiche galt für den Dunklen. Man würde mir bestimmt nicht den Kopf tätscheln und mich danach ohne weiteres zu meinem Regiment zurückschicken. Ob sich Maljen noch in Kribirsk aufhielt? Wenn seine Wunden verheilt waren, würde er vielleicht wieder die Schattenflur durchqueren oder einen anderen Auftrag erhalten. Ich dachte daran, wie sein Gesicht in der Menschenmenge im Zelt der Grischa verschwunden war. Ich hatte nicht einmal Zeit gehabt, mich von ihm zu verabschieden.
Ich streckte in der zunehmenden Dämmerung Arme und Rücken und versuchte, das düstere Gefühl abzuschütteln, das mich überkommen hatte. Wahrscheinlich ist alles zum Besten, redete ich mir ein. Ich wusste sowieso nicht, wie ich mich von Maljen hätte verabschieden sollen. Vielen Dank, dass du mein Freund warst und mein Leben erträglicher gemacht hast. Ach so â und es tut mir leid, dass ich eine Weile in dich verliebt war. Du musst mir unbedingt schreiben, ja?
»Worüber lächelst du?«
Ich fuhr herum und sah mich im Zwielicht um. Die Stimme des Dunklen schien aus den Schatten zu kommen. Er hockte sich an den Bach und benetzte sein Gesicht und die dunklen Haare mit Wasser.
»Nun?«, fragte er, indem er zu mir aufsah.
»Ãber mich selbst«, gestand ich.
»Bist du so komisch?«
»Ich bin zum Totlachen.«
Der Dunkle betrachtete mich und ich hatte das verstörende Gefühl, dass er direkt in mich hineinschauen konnte. Seine Kefta war etwas staubig, aber davon abgesehen schien ihm der lange Ritt nichts ausgemacht zu haben. Meine Haut brannte vor Scham, als ich mir meiner zerrissenen, viel zu groÃen Kefta, meiner verdreckten Haare und der Schramme bewusst wurde, die der Meuchelmörder der Fjerdan auf meiner Wange hinterlassen hatte. Warum starrte der Dunkle mich an? Bereute er es, mich den ganzen weiten Weg mitgenommen zu haben? Dachte er, dass er noch einen seiner seltenen Fehler begangen hatte?
»Ich bin keine
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